Pfingstfestspiele: Diesem Zauber kann man nur erliegen
Die beste Nachricht zuerst: Cecilia Bartoli, seit 2012 künstlerische Leiterin, Kraftzentrum und Protagonistin der Salzburger Pfingstfestfestspiele wird dem Festival bis 2026 erhalten bleiben. In der aktuellen Ausgabe der Vorboten der Sommerspiele triumphierte sie mit ihrem kongenialen Team, dem Regisseur Damiano Michieletto, dem Dirigenten Gianluca Capuano und erstklassigen Sängern in der Titelrolle von Georg Friedrich Händels Zauberoper „Alcina“.
Dämonisches Grün
Schon bei den ersten Takten der Ouvertüre ist zu erahnen, dass sich da Außergewöhnliches anbahnt. Eine düstere, in dämonischem Grün erleuchtete Hotelhalle. Eine Frau in schwarzem Kleid und High Heels tritt vor einen ovalen Spiegel. Hat sich da etwa Schneewittchens Stiefmutter in Stephen Kings legendäres „Shining Hotel“ verirrt? Mitnichten. Das Szenario stammt aus Damiano Michielettos Inszenierung von Händels „Alcina“. Die schwarzgewandete Dame ist Cecilia Bartoli in der Titelrolle.
Weiblicher Don Giovanni
Bei Michieletto ist Alcina mehr Mensch als Magierin. Einem weiblichen Don Giovanni gleich hortet sie die Genossen ihrer Lust. Die abgelegten verzaubert sie in Steine und Bäume. Einer von ihnen ist der Ritter Ruggiero. Den verwandelt sie nicht, denn ihn liebt sie wirklich. Dieses Glück ist jedoch nicht von Dauer, denn seine Verlobte Bradamante kommt ihn holen.
Glaswand
Paolo Fantin hat die Bühne klug in eine Doppelwelt gegliedert. Eine verschiebbare Glaswand markiert die Grenze zu Alcinas Reich und dient als Projektionsfläche für die fantastische Videokunst von rocafilm. Die Animationen zeigen präzise zur Musik in überwältigenden Bildern Alcinas Opfer als schwebende Gesteinsbrocken und nackte, gekrümmte Leiber, die einem Renaissance-Gemälde entnommen scheinen. Meisterhaft passt Michieletto seine Personenführung an die Musik an. Bartoli, die von einer Art Alter ego, einer vom Alter verzerrten Frau verfolgt wird, wandelt sich von der dämonischen Verführerin, deren Zauber jedermann erliegt, zu eifersüchtigen Furie und brilliert als große Tragödin.
Samtig
Mit ihrem warmen, samtig klingenden Mezzosopran intoniert sie die Koloraturen virtuos. So innig hört man die Untergangsarie, „Mi restano le lagrime“ nur von dieser großartigen Singschauspielerin. Philippe Jaroussky stellt als Ruggiero genial einen zwischen zwei Frauen zerrissenen Mann dar, der in den Wahn flieht, dar. Seine Höhen sind phänomenal, ebenso seine Koloraturkunst. Kristina Hammarström überzeugt mit ihrem herben Mezzosopran als Bradamante. Sandrine Piau besticht als Morgana mit ihrem schlanken, präzise geführten Sopran.
Stehende Ovationen
Alastair Miles ist ein solider Melisso. Tenor Christoph Strehl hält sich als Oronte bescheiden zurück. Sängerknabe Sheen Park meistert seinen Part bravourös. Der Bachchor Salzburg singt ausgezeichnet. Thriller im Graben Musiziert wird fulminant. Packend, dynamisch, ausdrucksstark arbeitet Gianluca Capuano mit dem von Bartoli 2016 gegründeten Originalklangensemble „Les Mucsiciens du Prince-Monaco“ die Details der Partitur heraus. Wie die Solisten mit den Sängern in Dialog treten, ist einzigartig. Capuano setzt auf Esprit und Ausdruck. So funktioniert (Barock-) Oper. Stehende Ovationen.
Von Susanne Zobl
Kommentare