Und deswegen kann es Ihr Tratschpartner nicht sein lassen. Er muss sich zwischen den zu absolvierenden Therapien ins Kulturhauptstadtgetümmel stürzen. Das geht von Strobl aus einfach. Obwohl der Ort gar nicht Teil der Kulturhauptstadt ist. Denn das Salzburger Salzkammergut verweigerte Bad Ischl die Gefolgschaft. Daher bilden nur 23 Gemeinden in Oberösterreich und der Steiermark die Kulturhauptstadtregion.
Ob der Zwistigkeiten zwischen dem Salzkammergut diesseits und jenseits des Pötschenpasses kann man eigentlich von Glück reden, dass der Salzburger Teil heuer lieber den Heiligen Wolfgang feiert. Strobl am Wolfgangsee ist also nicht Kulturhauptstadt, aber nur zehn oder zwölf Kilometer entfernt von Ischl, dem Epizentrum. Die Distanz lässt sich mit dem normalen Fahrrad bewältigen, auch wenn der Anstieg nach Lindau (die Bundesstraße als direkte Verbindung ist tabu) eine kleine Herausforderung darstellt.
„Kultur ist nicht Kunst“
Und so besuchte Ihr Tratschpartner am Samstag eine Ausstellungseröffnung, bei der er viele von denen traf, die er immer wieder in Wien sieht: von der Galeristin Ursula Krinzinger bis zu Bettina Leidl, der Chefin des Museumsquartiers, und Heide Schmidt, der Gründerin des Liberalen Forums. Schuld am Massenauflauf der Spätsommerfrischler war Peter Noever, der ehemalige Direktor des MAK. Seine Stimme klang energisch wie je: „Kultur ist nicht Kunst, ebenso wie Kultur und Kunst keine Synonyme sind.“ Die Ausstellung „Peace now! – The Artist‘s Voice“, die er in der Trinkhalle von Ischl (statt Heilwasser gab es Grünen Veltliner) kuratierte, sei daher eine künstlerische Äußerung. Denn auch Krieg ist – leider – Teil der Kultur. 28 Künstlerinnen und Künstler (darunter Noever selbst) seien „eingeladen“ worden, ihre Meinungen, Vorstellungen und Aufrufe öffentlich darzulegen – in Form von Plakaten. Noever hat also all jene Künstler um Statements gebeten, die er von früher kennt. Jenny Holzer zum Beispiel, Kiki Smith und Anish Kapoor. Echte Kapazunder.
Aber er hat auch etliche Tote eingeladen, darunter Donald Judd, Ilya Kabakov, Jannis Kounellis und Peter Weibel. Erstaunlich. Sie dürften – im Gegensatz zu Julius Deutschbauer, Eva Schlegel, Hans Weigand und Edgar Honetschläger – ihre Plakate nicht selbst gestaltet haben.
Ist ohnedies egal: Auf jedem der 28 Plakate findet sich ein Logo mit einem fünfstrahligen Stern, dem Titel „Peace now!“ und der Erklärung „Exhibition by Peter Noever“. Er ist eben ein Selbstdarsteller, immer schon gewesen. Aber die meisten Plakate sind recht cool. Je 500 Stück liegen auf Europaletten – und man darf sich bedienen (die Beschränkung auf drei Stück wurde bei der Eröffnung gerne negiert). Begehrt war jenes mit einem Foto von Marina Abramović: Sie sitzt mit einer mächtigen weißen Fahne auf einem Schimmel. Titel: „The Hero“. Dass sich Noever von katholischem Brauchtum inspirieren ließ, verwunderte allerdings ein wenig: Er ließ eine 14 Meter lange, hüfthohe Mauer aus Metallgitter errichten, in deren Zwischenräume man LED-Glühbirnen legen kann – die leuchten wie die elektrischen Kerzerln in der Kirche. Mögen sie etwas bewirken!
Zuvor, am Vormittag, war Ihr Tratschpartner in Altaussee gewesen (allerdings mit dem Auto).
Beim dortigen Wochenmarkt im Kurpark machte das Grazer Theater im Bahnhof drei Stunden lang unter dem Titel „Die unerhörten Dinge“ Live-Radio zum Thema „Arisierung“ und späte Restitution: Das Moderatorinnenquartett Juliette Eröd, Gabriela Hiti, Monika Klengel und Martina Zinner gestaltete eine vergnügliche wie beinharte Mischung aus „Autofahrer unterwegs“, Talk-Show und Radiokolleg, garniert mit einem Memory-Spiel, um die unrühmliche Vergangenheit (gerade im Ausseerland!) in Erinnerung zu rufen.
Prinzipiell war der Schauplatz gut gewählt. Doch der mickrige Wochenmarkt ist eher eine Touristen-Attraktion; unter der Zuhörerschaft gab es also nicht viele Einheimische. Und das Theater im Bahnhof agierte sehr zurückhaltend, alles andere als marktschreierisch.
Die Veranstaltung war den Ausseern, die sich gerne an den SS-Offizier Wilhelm Höttl erinnern, ohnedies ein Dorn im Auge gewesen.
Der Minister war da
Aber das Grazer Ensemble bekam Schützenhilfe: Kulturminister Werner Kogler, bekanntlich ein (Ost)Steirer, schaute zumindest beim Finale vorbei. Um zu demonstrieren, dass die Aufarbeitung der verdrängten Vergangenheit hoch an der Zeit ist.
Das Theater im Bahnhof wird auch in den nächsten Wochen für Unruhe sorgen: Es bringt seine Show noch dreimal in Bad Aussee und Altaussee zur Aufführung.
Und falls es dem grünen Vizekanzler bei der Fahrt durch das Salzkammergut nicht aufgefallen sein sollte: Es ist absolut widersinnig, dort flächendeckend mit dem Slogan „Bäume statt Beton“ zu werben.
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