Peter Kogler in Graz: Eine Reise in das Hirn des Künstlers

In einer aus Screens zusammengesetzten Wunderkammer spiegelt Peter Kogler digitale Muster in die Unendlichkeit
Medienkünstler Peter Kogler triumphiert mit der Retrospektive „Connected“ über die Architektur des Grazer Kunsthauses

Der Pinsel des Peter Kogler ist der Computer – seit Mitte der 1980er-Jahre, als Apple den ersten Macintosh herausbrachte. Und schon recht früh beschränkte sich der aus Innsbruck gebürtige Künstler, kürzlich 60 geworden, auf einige signalhafte „Icons“, die sich wunderbar vervielfältigen ließen, darunter die Ameise, den Globus, das freigelegte Gehirn, die Ratte und die Glühbirne.

Ganz besonders angetan war Kogler von schwarz-weißen Röhren, die er zu illusionistischen Geflechten übereinanderschichtete. Mit ihnen, auf Plastikfolien, Papier- oder Stoffbahnen gedruckt, erzielt er eine dreidimensionale Wirkung. Sie bringen zudem die Realität, die Architektur, quasi zum Verschwinden.

Labyrinth aus Röhren

1992, für die Documenta IX, hatte er den ersten Raum des Museums Fridericianum in Kassel mit riesigen Ameisenstraßen als zweidimensionales Muster austapeziert. Die Sinnestäuschung aber kam erst später hinzu: 1995 überzog Kogler die Wände und die Decke der Secession mit einem Labyrinth aus kerzengeraden Röhren. Fortan war Kogler der Mann, wenn es darum ging, riesige Flächen oder vertrackte Räume zu bespielen. 1996 kleidete er das Stiegenhaus der Kunsthalle Krems und 1997 die Documenta-Halle aus, im Jahr 2000 gestaltete er die Fassaden des Österreich-Pavillons auf der Expo Hannover und 2005 die Front eines Parkhauses am Flughafen Wien.

Mit der Zeit löste sich das zunächst starre Röhrensystem in amorphe oder biomorphe Gebilde auf. Koglers Kosmos, 2003 der Grazer Bahnhofshalle eingeschrieben, gefiel derart, dass er, wiewohl nur als temporäre Intervention geplant, das damalige Kulturhauptstadtjahr überdauerte. Die Wiener Linien trauten sich zunächst nicht, eine U-Bahn-Station mit den monströsen Ameisen verzieren zu lassen; 2012 aber durfte Kogler ein Verteilergeschoß unter dem Karlsplatz zu einer coolen Kathedrale aus Glas, bedruckt mit einem Röhren-Wirrwarr, machen.

Elf Jahre nach der Retrospektive im Mumok war es nun hoch an der Zeit für einen neuen Rückblick: Peter Kogler wurde das gesamte Grazer Kunsthaus, diese sonderbare Blase von Peter Cook und Colin Fournier, zur Verfügung gestellt. Schließlich gibt es genügend Korrespondenzen in den Visionen der Architekten und jener von Kogler.

Entstanden ist eine irre Grottenbahn, eine ungemein theatralische Inszenierung. All seine Themen und visuellen Codes fasst der Künstler in einem Gang mit vielen Collagen zusammen; auch das frühe „L. A. Baby“ taucht da auf.

Peter Kogler in Graz: Eine Reise in das Hirn des Künstlers

Die Reise mit dem Travelator in die Gedankenwelt des Peter Kogler: das Röhrengeflecht für die Schau in  der Secession 1995

Die Reise in Koglers Riesenhirn beginnt aber bereits im Erdgeschoß: Die Röhren der Secessions-Ausstellung verstärken die Sogwirkung, die der tunnelartige Travelator, ein Personenförderband, ausübt. Auf dem „Space 02“ stößt man unter anderem auf großformatige Bildwände aus 2004, die an Prospekte in einem Theater erinnern: Sie sind sanft in Bewegung, schichten sich immer wieder neu – und geben den Blick auf eine Art Bühne frei.

Da stößt man auf die Sitzmöbel von Friedrich Kiesler. 1924 hatte der revolutionäre Architekt, dessen biomorphe Utopien nachhaltig die Welt veränderten, in Wien eine „Internationale Ausstellung neuer Theatertechnik“ organisiert. Erstmal zu sehen war das „Ballet Mécanique“ von Fernand Léger und George Antheil, ein surrealistisch-dadaistischer Film zu mechanisch gespielter Musik.

Dieses „Ballet Mécanique“ bildet nun das Zentrum der Ausstellung „Connected. Peter Kogler with...“: Der in Graz lehrende Komponist Winfried Ritsch macht die Musik mit Klavierautomaten hörbar. Die Schau, von Katrin Bucher Tratow kuratiert, will aber nicht nur Bezüge sichtbar machen: Sie versammelt auch Kollaborationen, darunter mit Franz West.

Peter Kogler in Graz: Eine Reise in das Hirn des Künstlers

Peter Kogler bringt mit seinen projizierten Linien die Noppen und Beleuchtungskörper der „Blauen Blase“ zum Verschwinden

Kuppelhalle aus Linien

Mehrfach zusammengearbeitet hat Kogler mit Franz Pomassl, der u. a. die Sounds zu einer aus Screens zusammengesetzten Wunderkammer aus 2016 beisteuert, in der digitale Muster raffiniert in die Unendlichkeit gespiegelt werden. Und gemeinsam bezwingen sie die große Kuppelhalle. Kogler bringt mit seinen projizierten Linien selbst die dominanten Noppen und Beleuchtungskörper der Blauen Blase zum Verschwinden. Wow. (Bis 20.10.)

Peter Kogler in Graz: Eine Reise in das Hirn des Künstlers

All seine Themen und visuellen Codes fasst Peter Kogler in einem Gang mit Collagen zusammen

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