Es gibt fast kein Reden, alles ist Denken

Theatre goes movie: Livekameras, Sounds, Stimmen aus dem Off
Peter Handkes "Das wunschlose Unglück" im faszinierenden Theater/Film/Hörspiel-Format.

Es gibt viel zu schauen und sogar eine Pointe quasi als Vorspiel zur Erzählung über den Selbstmord einer Mutter: Wenn ausgerechnet ein kurzer Ausschnitt der Folge 13 mit dem Titel „Happy End“ aus der TV-Serie „Wenn der Vater mit dem Sohne“ gezeigt wird.

Spezielle Erzähltechnik

Peter Handkes „Das wunschlose Unglück“ im Kasino des Burgtheaters: Keine Dramatisierung. Keine Verfilmung, aber mit Live-Video über fünf Kameras, die in 90 Minuten 500 Einstellungen liefern.

Für ein bebildertes Hörspiel. Jedenfalls narratives Theater, von Duncan MacMillan für die Bühne bearbeitet. Die Schauspieler sind hier bloß stumme Akteure, völlig emotionslos im Ausdruck. Der dialoglose Prosatext kommt von Sprechern aus dem Off. Dazu der akustisch sparsame Soundtrack wie aus einem Gruselmovie.

Das Setting ist ein Bravourstück der britischen Regisseurin Katie Mitchell: Sie war zuletzt mit George Benjamins Oper „Written on Skin“ bei den Wiener Festwochen und bekam im Vorjahr für ihre Inszenierung von Friederike Mayröckers „Reise durch die Nacht“ in Köln den Nestroy für die beste deutschsprachige Aufführung.

Wie sie Handkes Geschichte einer Selbstmörderin, aber auch die sehr politische Erzählung über die Nachkriegsgeneration auf die breite Bühne von Lizzie Clachan bringt, ist faszinierend. Sie verführt, nein: zwingt zum Voyeurismus. Andererseits irritieren Depression, Einsamkeit, Trostlosigkeit und die präsuizidale Gedankenwelt.

Szenenfotos

Es gibt fast kein Reden, alles ist Denken

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Extreme Close-ups

Die Mutter, die die Überdosis Tabletten zubereitet. Die mit einem Kopftuch das Kinn zubindet. Die auf dem Bett liegt, bereit zu sterben. Die Mutter im offenen Sarg. Mit manikürten Fingernägeln. Die Mutter immer wieder in Nahaufnahmen ...

Die Illusion ist perfekt, wenn die Kameras das Live-Geschehen in einer bis ins letzte Detail reproduzierten 70er-Jahre-Ästhetik bei den Requisiten, den Tapeten und Möbeln mit Resopal-Prächtigkeit auf die große Leinwand bringen.

Die Desillusion ist ebenso perfekt, wenn zugleich das Making-of darunter sichtbar wird: Wenn Techniker Stative verschieben, neue Kamerapositionen einnehmen und jene Bilder produzieren, die – bigger than life – oben zu sehen sind. In Schwarz-Weiß die Mutter (Dorothee Hartinger) zwischen Küchentisch und Sarg, zwischen Leben und Tod. Manchmal kommt es ihr vor, als wäre sie eine Maschine. In Farbe der mit Brille und Schnauzbart auf junger Handke gestylte Sohn (Daniel Sträßer), erpicht darauf, das Geschehen und Erleben literarisch zu verarbeiten, und die Tochter (Liliane Amuat). Heuer im Sommer ist Katie Mitchell mit einem Stück zum Ersten Weltkrieg bei den Salzburger Festspielen. Dabei geht es um den Missbrauch der Wissenschaft – und um eine mutige Frau, die es zu rehabilitieren gilt.

KURIER-Wertung:

INFO:Vorstellungen: 11. bis 13., 15. und 17. 2. (20 Uhr) Karten: 01 / 513 1 513 www.burgtheater.at

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