Peter Gabriel: Simpel, aber sensationell

Gabriel stapft, hüpft und läuft er über die Bühne, zeigt Energie und Feuer, als wäre er 44, nicht 64.
Kritik: Peter Gabriel begeisterte mit seiner "Back to the Front"-Show in der Grazer Stadthalle.

Beim Chinesen ein paar Blocks nördlich der Grazer Stadthalle wird heftig diskutiert. Peter Gabriel soll heute dort mit seiner "Back To Front"-Show auftreten. Und während die Vorgruppe schon begonnen hat, kann hier beim Vorab-Bierchen mit den Freunden schon mal angemeldet werden, dass man Zweifel an dem Konzept hat: Wie bei einer Probe mit vollem Saallicht will der ehemalige Genesis-Sänger den ersten Teil seiner Show gestalten? Kann das funktionieren?

Dreigänge-Menü

Eine Stunde später ist die Skepsis verflogen: Gabriel ist tatsächlich bei vollem Saallicht auf die Bühne gekommen, hat das Konzept in schönstem Deutsch erklärt, es mit einem Dreigänge-Menü verglichen, mit einem Akustikteil als Vorspeise, einer "elektronischeren" Hauptspeise und seinem populärsten Album "So" als Dessert von A bis Z durchgespielt. Dann hat er den ersten Song angespielt – zwei, drei simple Akkorde auf dem Klavier und seine Stimme: Wow, Gänsehaut. Da ist sofort eine Intensität, die viele nicht einmal mit ihrem größten Hit in der Zugabe hinkriegen. Was jetzt folgt ist eine Show, die keine Wünsche offenlässt.

Das beginnt bei den Musikern. Bassist Tony Levin, Keyboarder David Sancious und Drummer Manu Katche sind nicht nur jene Musiker, die damals mit Gabriel das "So"-Album aufgenommen haben, sondern auch die Besten ihres Faches. Sie stellen – verstärkt von Gitarrist David Rhodes und zwei Sängerinnen – eine Band, die Gabriels komplexe Rhythmen und vielschichtige Arrangements so klar, so variantenreich und so souverän umsetzt. Es gibt kantigen, schrillen Rock, traurige Balladen, Cello-Einschübe und Funk-Rhythmen, wilde Perkussion und sehnsüchtigen Gesang.

Dazu kommt die sensationelle Show: Mit simplen Mitteln, aber hervorragenden Ideen setzt sie immer wieder Akzente, verstärkt die Wut und die Tristesse, die in den Songs steckt – so dass zwischendurch immer wieder die Haare auf der Haut zu Berge stehen und das Herz noch höher schlägt. Fünf Kräne mit je drei Schweinwerfern können rund um die Bühne fahren und simulieren bei "No Self Control" bedrohliche Eindringlinge, die wie UFOs auf Gabriel einstürmen, oder bei "We Do What We’re Told" eine Spalier stehende Armee. Bei "Red Rain", dem ersten "Dessert"-Song, dem Opener des "So"-Albums, ist plötzlich alles in flammendes Rot getaucht.

Bewegende Zugabe

"Sledgehammer", der größte Hit Gabriels, ist auch ohne Showeffekt ein weiterer Höhepunkt. Danach singt er "Mercy Street" wie ein verwundetes, leidendes Kind am Boden liegend – gefilmt von einer kleinen Handkamera und nur auf den Videoschirmen zu sehen. Kein Wunder, dass die Grazer am Schluss toben. Gabriel legt als Zugabe das zutiefst bewegende "Biko" drauf und demonstriert damit ein letztes Mal, wie bewegend seine Mischung aus Haltung, Leidenschaft und musikalischer Perfektion immer noch sein kann.

KURIER-Wertung:

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