Perfume Genius hat als Tänzer Freiheit in der Realität gefunden

Perfume Genius hat als Tänzer Freiheit in der Realität gefunden
Der als Mike Haders geborene Musiker spricht über die Jugend mit Mobbing und Krankheit, Drogen und ihren Ersatz, den Tanz

Als „Fantasie für Leute, die innerlich tot sind“ beschrieb ein Kritiker das Tanzstück „The Sun Still Burns Here“. Perfume Genius, der als Mike Hadreas in Seattle geborene Musiker mit dem melancholischen Sound zwischen Indie-Rock, Pop und Dance, hat es vorigen Herbst mit der Choreografin Kate Wallich entwickelt. Er hat die Musik dafür geschrieben und auch eine Rolle darin getanzt.

Die Beschreibung des Kritikers ist an sich eine perfekte Analogie für die Gefühlswelt von Hadreas. Allerdings nur, bis zu „The Sun Still Burns Here“. „Früher habe ich mich in Fantasien geflüchtet und im Geist angenehme Szenarien für mich kreiert “, erzählt er im KURIER-Interview. „Das waren die Momente, in denen ich mich ekstatisch und erfüllt gefühlt habe, und all meine Ängste verschwunden waren. Dieses Gefühl habe ich jetzt im Tanz gefunden.“

Deshalb schrieb der 38-Jährige für sein Freitag erscheinendes Album „Set My Heart On Fire Immediately“ Songs, die „freier und spirituell wilder sind, aber Wärme und Trost ausstrahlen“.

Perfume Genius hat als Tänzer Freiheit in der Realität gefunden

Dass er diese innere Freiheit ausgerechnet in dem Tanz-Projekt gefunden hat, wundert Hadreas schon: „Das Stück war fantastisch angelegt. Und es hat mich in dieses fantastische, entrückte Gefühl transportiert, obwohl es gleichzeitig eine absolut physische Sache war. Denn ich habe Leute berührt, sie gehalten und getragen – fremde Leute, die ich erst beim Erarbeiten des Stücks kennengelernt hatte. Aber das war absolut heilsam für mich. Es war wie eine Versöhnung mit meinem Körper.“

Hardreas hatte nämlich Zeit seines Lebens Schwierigkeiten, seinem Körper zu vertrauen. Er wurde in der Schule gemobbt, weil er schwul war, nahm als Teenager Antidepressiva und litt noch dazu an Morbus Crohn, wodurch er viel im Spital war. Später studierte er in seiner Heimatstadt Seattle Malerei, zog mit 21 nach Brooklyn zu seinem ersten Freund und wurde dort alkohol- und drogensüchtig. Mit 26 ging er zurück nach Seattle zu seiner Mutter und dem Stiefvater (beide ebenfalls vormals süchtig) – in die Entzugsklinik.

Immer wiederkehrende Themen in seinen Songs sind deshalb Liebe, Drogen und das Misstrauen dem eigenen Körper gegenüber. „Wenn du krank bist, hast du das Gefühl, du hast keine Kontrolle über deinen Körper. Das passiert mit dir, du musst es geschehen lassen und kannst es nicht steuern. Und vom prüden Amerika, das so christlich orientiert ist, wurde mir auch noch gespiegelt, dass wegen meiner sexuellen Orientierung, die ich auch nicht unter Kontrolle habe, etwas an mir falsch ist. Mit dem Tanzen habe ich aber jetzt das Gefühl bekommen, doch Kontrolle darüber zu haben. Denn dafür trainierst du und damit verändert sich der Körper.“

Perfume Genius hat als Tänzer Freiheit in der Realität gefunden

Deswegen, sagt er, sei er auch den Drogen erlegen: „Abgesehen davon, dass ich ein verklärtes Bild vom drogensüchtigen Künstler hatte, gab mir das zuerst auch dieses Hoch der Kontrolle – zumindest über meine Gefühle. Aber irgendwann ist das nur zerstörerisch und du merkst, dass du eigentlich leer und ohne jedes Gefühl bist.“

Dem „prüden Amerika“ tritt Hadreas mit dem Video zum Song „Describe“, entgegen. In dem Text bittet er jemanden, zu beschreiben, wie es ist, frei von Depressionen zu sein. Im Clip illustriert er das unter anderem mit Szenen, die an das Letzte Abendmahl erinnern.

„Was mir auch immer dieses Gefühl von Freiheit und Verbundenheit gegeben hat, war Kirchenmusik, waren die Gospels. Ich fand sie magisch, fast wie ein faszinierender Kult. Aber zu wissen, dass ich wegen meiner sexuellen Orientierung dort nicht willkommen bin, hat mich schon geprägt – obwohl ich auch als Kind nie viel in die Kirche gegangen bin. Deshalb hat es sich sehr gut angefühlt, jetzt mich und all die anderen eigenartigen Charaktere des Clips in diese Szenerie zu setzen und damit neue Regeln für diese Welt zu postulieren.“

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