Performance-Künstler Matteo Haitzmann erinnert an die Opfer der AIDS-Krise
Er spielt die Geige wie eine Gitarre, um eine rhythmische Basis zu kreieren. Dann legt er mit dem Instrument Melodien darüber und singt dazu mit klarer, heller Stimme über Lebensmut und Traurigkeit, Ausgrenzung und Zusammenhalt.
Bei Matteo Haitzmanns Performance-Stück „Those We Lost“ ist die eindringliche Musik aber nur ein Teil dessen, was der Musiker und Performance-Künstler damit vermitteln will. Gestaltet hat er das Stück nämlich, um an die Überlebensstrategien der LGBT-Gemeinschaft in den 80er- und 90er-Jahren angesichts der damaligen AIDS-Krise zu erinnern.
„Angefangen hat es damit, dass ich Gideon Mendels Fotobuch ,The Ward‘ in die Hände bekommen habe“, erzählt er im Interview mit dem KURIER. „Diese Bilder waren so eindrücklich, dass ich mehr darüber gelesen habe und dabei von mir selbst überrascht war, dass ich so wenig über diese Zeit wusste. Mir war nicht bewusst, wie viel diese politische Bewegung erreicht und zur Identitätsfindung und zum Selbstbewusstsein dieser Gemeinschaft beigetragen hat. Ich wollte mit dem Stück Danke sagen.“
Haitzmann recherchierte dafür neun Monate, las in Tagebüchern, wühlte in Zeitungsarchiven und Videotheken und fand viele Interviews mit Betroffenen. Die wurden zum Kern von „Those We Lost“.
„Ich wollte mit den Videos und Interviews arbeiten, weil mir wichtig war, dass die Leute mit viel Information über diese Zeit aus der Performance rauskommen. Ich wollte aber auch nicht auf die Tränendrüse drücken und in die Dramatik hineingehen. Ich selbst wollte in den Hintergrund treten. Deshalb trage ich einen breiten weißen Rock und es werden Videos und Informationen auf mich projiziert. Denn es geht nicht um meine Person und meine Position, sondern um die Aussagen, die Realität und die Erkenntnisse von damals.“
Zwar hatte der Musiker, der auch Mitglied des Jazz-Kollektivs Little Rosies Kindergarten ist, das Projekt lange vor der Pandemie begonnen. Aber als es mit Covid-19 losging, bekam sein Projekt neue Brisanz.
„Da gab es immens viele Prallelen zu HIV-Krise, erklärt er. „Zum Beispiel die Stigmatisierung: AIDS, war anfangs ja als reine Schwulenkrankheit tituliert worden. Und der damalige US-Präsident Ronald Reagan hatte zehn Jahre lang das Wort AIDS nicht in der Öffentlichkeit ausgesprochen. Corona wurde anfangs auch als ,Chinesen-Virus‘ bezeichnet. In diesem Fall wurde das Virus nicht einer Sexualität sondern einer Ethnie zugeordnet.“
Auch die Bilder aus den Krankenhäusern zu Beginn der Covid-Pandemie erinnerten Haitzmann an die furchterregende Lebensrealität der AIDS-Patienten von damals: „Sie wurden in Zimmern eingesperrt, wo keine Pfleger reinkamen und sie das Essen vor die Tür gestellt bekamen, weil man zu Beginn noch so wenig darüber wusste, wie das HI-Virus übertragen wird. Daran, aber auch an den Mut und Kampfgeist, den es damals brauchte, um das Thema in die Medien und an die Öffentlichkeit zu bringen, will ich mit ,Those We Lost‘ erinnern.“
Soeben ist das Album „Those We Lost“ mit der Musik zu der Performance erschienen. Um das zu feiern, führt Matteo Haitzmann das Stück am 9. Mai im Rabenhof in Wien auf.
Weitere Termine: 1. 12. Innsbruck/Treibhaus, 2. 12. Salzburg/Arge
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