Wo fängt der Vanillepuddig an?

Wo fängt der Vanillepuddig an?
Dem Amerikaner gelingt es, dass man selbst Antworten gibt. Und nicht nachplappert.

Wenn Sie Federn statt Haare haben könnten, wäre Ihnen das lieber?

Pardon, die Frage kommt ein wenig überfallsartig. Nehmen wir eine andere, einfachere: Wann hört die Vanillesauce auf, und wo fängt der Vanillepudding an?

Oder: Wären Sie ein bisschen verstört, wenn jemand zu Ihnen sagte: „He, ich geh nur kurz in die Hirntumorzentralambulanz und schau dann etwas später am Abend vorbei“?

Es gibt genügend Fragen. Hunderte. Das ganze Buch des ehemaligen Dachdeckers, gelobten Romanautors und amerikanischen Literaturdozenten Padgett Powell (University of Florida) besteht aus Fragen.

Das war nämlich so: Irgendwann hat er nur noch lachen können, wenn ihn seine Studenten löcherten: Ob der Dichter X das so oder so gemeint habe und so weiter ...

Hat sich Padgett Powell also spaßhalber hingesetzt und zusammenhanglos weitergesponnen: Wie stehen Sie zur Kartoffel? Würden Sie einem vegetarischen Tierarzt trauen? Möchten Sie gern irgendwas sagen?

Kein Roman

Wo fängt der Vanillepuddig an?
Es ist selbstverständlich kein Roman daraus geworden. Es gibt keine Handlung, keinen Höhepunkt, es entwickelt sich nichts – außer man entwickelt sich selbst. Das ist nämlich das Erstaunliche: Nur am Anfang denkt man, dass man etwas Grundfalsches gekauft hat. Dann ist man mittendrinnen – es nervt überhaupt nicht, im Gegenteil – und lernt sich kennen.

„Sind Ihre Gefühle rein?“ ist halt intensiver als der 234. Krimi oder die 76. Geschichte einer Kindheit.

Endlich wird man ermutigt, sich wieder eigene Gedanken zu machen und sich nicht immer bei jenen Antworten zu bedienen, die andere schon gegeben haben.

„Wir steuern auf eine fragenlose – und fragwürdige – Welt zu“, hat der 60-jährige Padgett Powell gesagt.

Dass alles durcheinander geht, ist das Spannende. Wissensfragen („Kann man korrekterweise sagen, dass eine Orange eponym ist?“) und Gewissensfragen, und unser Geschmack interessiert ihn, und Blödeln beherrscht Powell ebenfalls. Man lernt auch den Autor ein wenig kennen. Vögel scheint er zu mögen, allen voran Rotkehlhüttensänger. Pessimistisch ist er. Schlangen faszinieren ihn . Sex mit Krankenschwestern beschäftigt ihn.

Geärgert hat er sich ein bisschen, als er den deutschen Titel „Roman in Fragen“ erfuhr. Im Original heißt das Buch „The Interrogative Mood. A Novel?“ Zumindest ein Fragezeichen hätte sein müssen. Und Punkt.

Nein. Eine letzte Frage noch: Gibt es irgendeine Hoffnung?

KURIER-Wertung: ***** von *****

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