Oscar-Gala: Erfolg auch für Billy Crystal
Die Oscar-Gala 2012 hat allein in den USA mehr als 39,3 Millionen Menschen vor den Fernseher gelockt. Das entspreche einem Zuschauerplus von vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr, berichtete die Los Angeles Times unter Berufung auf die amerikanische Rating-Agentur Nielsen.
Hoch angerechnet wurde dem 63-jährigen Showmaster
Billy Crystal, dass seine Moderation das jüngere Publikums zwischen 18 und 49 Jahren nicht vertrieb - deren Anteil verringerte sich nicht. Ob ihm das Kunststück mit seiner Videoeinlage zu Anfang der Oscar-Show gelang, in der er Teenie-Star Justin Bieber in das Programm einbezog, war zunächst nicht klar.
In der einleitenden Filmcollage reklamierte sich Crystal in einige nominierte und auch andere Filme hinein. Als im Koma liegende Ehefrau in "The Descendants" wird Crystal mal eben von George Clooney wachgeküsst, ehe er in einer aus Woody Allens "Midnight in Paris" entsprungenen Szene auf Justin Bieber trifft, der ihn nicht in das Paris zu Beginn des 20. Jahrhunderts, sondern zur Zielgruppe der 18-bis 24-Jährigen führen will.
Im Fünf-Jahres-Vergleich kam die diesjährige Verleihzeremonie unter Crystal auf Platz zwei. Das beste Ergebnis erzielte die Oscar-Gala 2010 mit 41,3 Millionen Zuschauern. Damals wurde James Camerons weltweiter Blockbuster, das 3D-Drama "Avator", überraschend von dem Irakfilm "The Hurt Locker" seiner geschiedenen Frau Kathryn Bigelow als bester Film des Jahres ausgestochen.
Array- Meryl Streep errang ihre 17. Darsteller-Nominierung - ein Rekord. Mit ihrem dritten Goldjungen für "Die eiserne Lady" liegt sie nun nur noch einen Oscar hinter Katherine Hepburn.
- Mit seinem Oscar für den besten Nebendarsteller geht der 82-jährige Christopher Plummer ("Beginners") als ältester je ausgezeichneter Schauspieler in die Annalen der Academy Awards ein.
- Jean Dujardin (als am Tonfilm scheiternder Stummfilmstar in "The Artist") ist der erste Franzose, der den Oscar als Bester Hauptdarsteller mit nach Hause nehmen durfte.
Meryl Streep: "Nein, nicht die schon wieder!"
Die 84. Oscarverleihung wird zweifellos in die Filmgeschichte eingehen. Nicht nur wegen des Hundes, der trotz massiver Proteste nicht als Bester Darsteller nominiert worden war (aber wenigstens das Goldene Halsband, hoffentlich erster Klasse, verliehen bekam). Sondern weil mit "The Artist" erstmals in der Geschichte des Oscars ein europäischer Film in allen wichtigen Kategorien in und über Hollywood gesiegt hat.
Der französische Neo-Stummfilm schaffte es, dass Martin Scorsese mit immerhin fünf (von elf) gewonnenen Oscars jetzt gar als Verlierer dasteht. Sein "Hugo Cabret" gewann nämlich nur in technischen Disziplinen (wie Ausstattung, Tonschnitt etc.). Nicht, dass man es "The Artist" nicht gönnte, der hier immerhin wie "Hugo Cabret" eine Hommage an das frühe Kino zelebriert, an das Erbgut von Hollywood.
Aber dass das schwarz-weiße französische Nostalgiebad als Bester Film, für die beste Regie und den besten Hauptdarsteller ausgezeichnet wurde, ist doch ein wenig übertrieben. Immerhin waren auch Regie-Kapazunder wie Terrence Malick oder Martin Scorsese angetreten. Dagegen nimmt sich das Werk des französischen Filmemacher Michael Hazanavicius, der bisher nur innerfranzösisch mit zwei James-Bond-Parodien auffiel, doch eher schmal aus.
Gleichzeitig erfüllt gerade dieser Umstand das Prinzip des alten, amerikanischen Traums: Aus dem Nichts kommend, quasi Kabelträger des Weltkinos, werden ein Regisseur, ein Schauspieler, ein Hund über Nacht zu den großen Oscartriumphatoren. Möglich wurde dies nur durch die Tatsache, dass es sich um einen stummen Film handelt. Denn traditionellerweise können beim Oscar ja nur englischsprachige Filme in Hauptkategorien nominiert werden.
Krisensituation
Dass "The Artist" siegte und "Hugo Cabret" so was wie Platz 2 belegte, passt gut zur momentanen Krisensituation der Filmbranche und stellt wohl eine Fluchtbewegung Hollywoods dar: zurück in jene Ära, in der Film erfunden wurde bzw. der Stummfilm sich zum Tonfilm wandelte.
"The Artist" ist zwar nicht sehr präzise, was historische Zitate betrifft (der bessere Film zum Thema ist "Singin’ In The Rain". Ja, der Klassiker). Aber der schön gescheitelte und pomadisierte Film trifft den den nostalgischen Nerv der Zeit, ohne dabei die Gemüter groß zu erschüttern. Befindet sich die Kinowelt doch gerade im Umbruch von Zelluloid ins digitale Zeitalter.
Schweißperle
"Heute kann man ja Filme schon am Handy schauen", kommentierte Billy Crystal, der mit geballter Gelassenheit und Charme moderierte. Neben ihm brillierte Sandra Bullock (als Brieföffner) in chinesischer Sprache, die sich dann als Deutsch entpuppte. Angelina Jolie hingegen war die Oscarverkünderin mit dem glänzendsten Gesicht: als schönste Schweißperle des Abends. Natürlich gab es auch Dankesreden, die eher den Anforderungen masochistischen Gala-Glücks entsprachen: "Ich habe soviel Liebe zu geben", säuselte der Preisträger für die beste Filmmusik, Ludovic Bource ("The Artist").
Während Octavia Spencer aus "The Help" den Oscar wenigstens zum "heißesten Typen im Raum" erklärte. Die heißeste Typin war jedenfalls Meryl Streep, zum 17. Mal nominiert und im goldenen Kleid quasi als wandelnde Oscar-Statue angetreten. Sie gewann für ihre meisterlich senile Darstellung der "Eisernen Lady" (ab kommenden Freitag im Kino) ihren dritten Oscar. "Als man meinen Namen aufrief, habe ich halb Amerika aufseufzen gehört: Nein, nicht die schon wieder!" Streep ist als Maggie Thatcher weit überzeugender als der zugehörige, für ein Politikerporträt allzu unpolitische Film.
Die Streep sorgte neben Christopher Plummer jedenfalls für saalübergreifende Gefühligkeit und dankte als erstes ihrem Ehemann: Liebe und Freundschaften seien ihr wichtiger als das Business. Plummer (bester Nebendarsteller für "The Beginners") hatte davor die witzigste Dankesrede gehalten. Schon als Kind hätte er eine mögliche Oscar-Rede geprobt, 82 lange Jahre jetzt darauf warten müssen. Die Schlussworte der Gala fand "The Artist"-Regisseur Hazanavicius: "Ich danke Billy Wilder, Billy Wilder und Billy Wilder". Eine Anlehnung an dessen berühmte Antwort auf die Frage, was im Film am wichtigsten wäre, nämlich: "Das Drehbuch, das Drehbuch und das Drehbuch". Mit Wilder war dann das heuer nicht nominierte Österreich auch noch ein bisschen vertreten.
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