ORF-Sommergespräche: "Es ist verboten, zu langweilen"
Zum Auftakt geht’s nach Kärnten: Das erste Sommergespräch führt Armin Wolf am Montag mit BZÖ-Chef Josef Bucher auf Burg Petersberg in Friesach (21.05 Uhr, ORF 2).
KURIER: Ingrid Thurnher wurde letztes Jahr teilweise harsch kritisiert. Hatten Sie Bedenken, die "Sommergespräche" zu übernehmen?
Armin Wolf: Ich hab’ totale Bedenken gehabt, ja. Aber nicht, weil’s zu gefährlich wäre, sondern weil die Erwartungen so hoch sind. Es gibt jeden Sonntag in der "Pressestunde" ein einstündiges Gespräch mit einem Politiker. Aber da lese ich nie große Vorberichte. Nur um die Sommergespräche gibt es einen seltsamen Hype, der eine enorme Erwartungshaltung erzeugt. Es passiert aber nichts! Es ist ein einstündiges Gespräch mit einem Politiker.
Sie interviewen die Politiker an Orten ihrer Jugend. Was erhoffen Sie sich davon?
Mehr Chancen auf ein Gespräch. Ein paar Fragen, für die es keine vorbereiteten Textbausteine gibt.
Was meinen Sie damit?
Die Schreibprogramme der ganz frühen Computer hatten das. Für bestimmte Anfragen gab es abgespeicherte Textbausteine, damit man nicht alles neu schreiben musste. Politiker haben das mittlerweile auch. Für bestimmte Fragen gibt es vorbereitete Antworten – egal, ob das jetzt zum Thema passt oder nicht.
Wie gehen Sie damit um?
Ich leide.
Gibt es Coachings für solchen Situationen?
Ich habe einmal an einem Seminar "NLP für Interviewer" teilgenommen. Das habe ich mir einen Tag lang angehört und dann beschlossen, das ist nichts für mich. So ein Live-Interview ist eine komplexe Geschichte. Dann auch noch darauf zu achten, schaut der nach links oben oder nach rechts, weil das angeblich besagt, ob er lügt oder nicht, das hat mich überfordert. Ich versuche, mich einfach ordentlich vorzubereiten. Der Hauptteil meines Jobs ist ja, vor dem Interview so viel zu wissen, dass ich merke, wenn ich angelogen werde.
Wie ist Ihr persönliches Verhältnis zu Politikern? Es ist ja in Österreich recht üblich, dass sich Journalisten und Politiker auch semi-privat treffen, zum Beispiel bei diversen Heurigen.
Ich arbeite am Abend, ich kann nicht zum Heurigen gehen. Ich war das letzte Mal vor 15 Jahren bei so einer Veranstaltung. Es gibt vielleicht drei Politiker in diesem Land, mit denen ich per Du bin. Ich bin kein großer Freund der österreichischen Verhaberei.
Wie viel Mitspracherecht haben die Politiker bei der Gestaltung der "Sommergespräche"?
Die einzige Mitsprache war, dass wir die Politiker gebeten haben, uns Drehorte in ihren Heimatorten vorzuschlagen, zu denen sie einen persönlichen Bezug haben. Mit dem Bundeskanzler haben wir ein bisschen diskutiert, weil er ursprünglich in die Meierei im Prater (im 2. Bezirk, Anm.) wollte – obwohl er im 6. Bezirk und in Liesing aufgewachsen ist und im 15. Bezirk zur Schule gegangen ist. Wir haben uns dann auf das Gartenhotel Altmannsdorf geeinigt. Alles andere geben wir vor. Es wird 1:1 aufgezeichnet und nicht geschnitten.
Wissen Sie, mit welchem Gefühl diese Menschen dann in diese Gespräche gehen?
Keine Ahnung. Ich nehme an, dass sie sich auch vorbereiten. Aber von einem Politiker, der sich vor einem Fernsehinterview fürchten würde, möchte ich nicht gerne regiert werden.
Sie haben sich ausführlich mit der Mediennutzung junger Menschen beschäftigt. Spricht man mit den "Sommergesprächen" Junge an?
Nein. Ein durchschnittlicher 20-Jähriger schaut sich kein einstündiges Gespräch mit einem Politiker an. Versteh’ ich auch. Wer mit Anfang 20 an einem Hochsommerabend nichts Besseres zu tun hat, als vor dem Fernseher zu sitzen – get a life! Wobei, ich freue mich natürlich über jeden.
Was interessiert 20-Jährige dann?
Es gibt drei Kriterien: Unterhaltsamkeit, praktische Relevanz und persönliche Empfehlung. Wenn man sich anschaut, welche von meinen Sachen im Internet am besten funktionieren, waren das entweder irgendwelche "ZiB 2"-Schlussgags oder besonders emotionale Momente in Interviews. Das schauen die Leute sich aber nicht an, weil sie sich besonders für Politik interessieren, sondern weil es ein Schauspiel ist.
Ist das eine Entwicklung, die Ihnen Sorgen macht?
Wie langfristig eine Demokratie funktioniert, wenn Leute sich nicht für das interessieren, was sie wählen, ist schon fraglich. Andererseits verkläre ich auch nicht die Vergangenheit. Früher waren die Leute besser informiert, haben aber bei jeder Wahl zu 95 Prozent dasselbe gewählt wie vorher. Sie hatten also nicht viel davon, dass sie gut informiert waren. Die goldene Zeit, in der lauter hochinformierte Bürger total qualifiziert vor jeder Wahl neu abgewogen haben, wem sie ihre Stimme geben, die gab’s nie.
Sind Ihre berühmten "ZiB 2"-Schlussgags – Stichwort Planking – Versuche, das Publikum abzuholen?
Ja, nur. Ich versuche Menschen für das zu interessieren, was wir machen. Es ist verboten, das Publikum zu langweilen. Ganz lang konnten wir die Zuseher dazu zwingen, Politik anzuschauen. 1980 wurde in Österreich um 19.30 Uhr auf FS1 und FS2, wie es damals hieß, die "ZiB" gezeigt. Mehr Sender gab es nicht. Das funktioniert heute nicht mehr. Mit Verführung bringt man aber nie die Quoten zusammen, die man mit Zwang erreicht.
Welche Kriterien müssen erfüllt sein, damit Sie die "Sommergespräche" als Erfolg verbuchen?
Ein Erfolg waren die "Sommergespräche", wenn die Kritiken freundlich und die Quoten gut waren. Zufrieden wäre ich, wenn es mir gelingen würde, fünf perfekte Interviews zu führen. Aber so ein Interview habe ich noch nie gemacht und ich fürchte, ich schaff’s auch diesmal nicht.
Wie nah waren Sie schon dran? In Prozent?
Also mehr als 80 sicher noch nicht. Meistens 50. Jeden Tag, wenn ich nach der "ZiB 2" nach Hause fahre, weiß ich, wie es besser gegangen wäre. Es ist eine langsame asymptotische Annäherung. Ein stetes Leid.
Leiden Sie wirklich darunter?
Ja, total! Total! Ich würde total gerne das perfekte Interview machen! Der Anspruch ist, alles was ich mache, so gut zu machen wie ich kann. Da bin ich echt ehrgeizig.
Sommergespräche ’12: Die Termine
Start am Montag: Die Sommergespräche werden jeweils am Vormittag aufgezeichnet und abends ausgestrahlt. Die Termine: Josef Bucher/ BZÖ (13. 8.), Eva Glawischnig/ Grüne (20. 8.), HC Strache/ FPÖ (27. 8.), Michael Spindelegger/ ÖVP (3. 9.), Werner Faymann / SPÖ (10. 9.)
Armin Wolf: Der ORF-Starmoderator wurde 1966 geboren. Er arbeitet seit 1985 für den ORF, präsentiert seit 2002 die "ZiB 2" und ist stv. Chefredakteur der TV-Information. Wolf wurde im April mit einer KURIER ROMY als Beliebtester Info-Moderator ausgezeichnet.
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