Opernsängerin Aida Garifullina: "Man muss viel näher am Publikum sein"

Aida Garifullina
Opernstar der neuen Generation: Auf Instagram gibt sie Einblicke in ihr Leben – auch, um junge Menschen für diese Musik zu begeistern.

"Nein", ruft Aida Garifullina und lacht. Sie musste nicht wegen ihres Vornamens Opernsängerin werden. Ja, ihre Mutter, eine Dirigentin, ist Verdi-Fan, "sie liebt diese Oper!" Aber Aida heißt Aida aus einem anderen Grund: "Der Name heißt ursprünglich Geschenk", sagt Garifullina im -Gespräch. "Meine Eltern haben sehr lange auf mich, ihr erstes Kind, gewartet. Daher war es kein Zweifel für sie, mich Aida zu nennen, ihr Geschenk."

Ein Geschenk ist die Sängerin auch für das Opernbusiness. Denn die höchste Bühnenkunst lebt längst nicht mehr von großen Stimmen allein: Sie braucht zeitgemäße Stars, die Tradition und TV-Tauglichkeit, Schöngesang und soziale Medien verbinden können. Garifullina hat das alles.

Dementsprechend steil geht es für sie aufwärts: An der Wiener Staatsoper singt sie immer größere Rollen, in Paris folgt demnächst eine "Bohème"-Premiere, sie spielte eine Szene in einem Meryl-Streep-Film, sang zur Opernball-Eröffnung und immer öfter an der Seite berühmter Kollegen. Und nun bekommt die 30-jährige Russin für ihre selbstbetitelte Debüt-CD einen "Echo Klassik", eine der wichtigsten Auszeichnungen der Branche.

Ganz schön schnell, wird einem da nicht schwindlig? "Ich weiß ganz genau, dass es noch mehr zu erreichen gibt. Es gibt immer noch etwas, das man lernen, das man schaffen soll. Ich will mehr! Mehr singen, mehr auftreten", ruft Garifullina.

Und mehr Öffentlichkeit. Glanz, Glamour und Fisch in Salzkruste – das gibt es auf Garifullinas Instagram-Seite. Dort postet die Sopranistin Fotos, auf denen sich die schönen Seiten des Diva-Lebens im gebührenden Glanz zeigen. Derartigen Glanz kennt man heute aus Film, Pop – und Oper: Schöne Kleider, schöne Orte, viel Lachen. Ist das echt alles so schön in ihrem Leben? "Das ist keine Lüge!", sagt Garifullina. "Ich kleide mich nicht nur für die schönen Fotos für Instagram so. Ich reise wirklich viel, treffe interessante, berühmte Menschen. Und natürlich möchte ich das alles fotografieren, damit meine Fans das auch miterleben können. Ich bin so und führe dieses Leben."

Dass es diese privaten Einblicke gibt, ist anderswo nichts Neues – eine ganze Mediensparte lebt vom Blick auf die Schönen und Reichen. Im Opernbereich ist derartige Offenheit aber fast revolutionär. Die großen Sängerinnen und Sänger von einst waren unnahbare Wesen, die persönlich kaum greifbar waren. Da hat sich mit einer jungen Generation – und auch den Marketingnotwendigkeiten eines unter Druck geratenen Business’ – viel geändert. Außerhalb Wiens kämpfen manche großen Häuser mit Besucherschwund, der CD-Markt hat ordentlich nachgegeben. Also muss man das, was man hat, den Menschen näherbringen.

Auftritt Aida Garifullina.

Sie mache sich, sagt Garifullina, durchaus ein bisschen Sorge um die Oper. "Die war früher viel populärer! Man muss heute näher am Publikum sein." Ein Mittel: Präsenz in den sozialen Medien. "Es ist mir wichtig, dass mich so viele Generationen wie möglich sehen. Besonders die Jungen", sagt Garifullina. Denn so könne man auch Menschen, die sich nicht für Oper interessieren, heranführen. "Ich glaube daran!", sagt die Sängerin. Und sie hat auch Erfolg, wie Nachrichten aus aller Welt zeigen, die sie bekommt.

"Fesche, junge Mädels denken sich: Oper ist mir zu schwer, zu ernsthaft. Und dann sehen sie mich, gut angezogen, und sagen: Okay, wer ist das? Dann sehen sie, dass ich eine Opernsängerin bin, jung, mich mit Mode beschäftige. Und dann fangen sie hoffentlich an, die Musik auf YouTube zu hören." Die Menschen sehen dann: "Ich bin auch ein echter Mensch, koche hin und wieder und habe trotzdem Zeit, schön auszusehen, auf der Bühne zu sein, Partien zu lernen, so viel zu reisen, ein Kind zu haben. Das macht diesen Wow-Effekt aus."

Opernsängerin Aida Garifullina: "Man muss viel näher am Publikum sein"
Einen Wow-Effekt hat Garifullina selbst erlebt – bei ihrem ersten Auftritt in der Staatsoper, wo sie lange Jahre selbst Gast war – am Stehplatz, wegen der Ticketpreise. "Damals war die Staatsoper nur ein Traum", sagt Garifullina. Und dann stand sie selbst auf dieser Bühne. "Oh mein Gott, ich war so aufgeregt! Meine erste Rolle hier war nicht so groß. Die Gianetta in Donizettis L’elisir d’amore. Aber es fühlte sich an wie eine große Rolle! Ich war auf der Bühne, der Vorhang ging auf – und ich dachte: Das ist keine Hauptrolle, aber ich muss sie trotzdem so gut machen wie eine Hauptrolle", erzählt sie. Nachsatz, mit einem Lachen: "Ich finde, ich habe das gut gemacht!"

Und auch zuvor hatte Garifullina vieles gut gemacht – gut machen müssen, um es von Kasan (der Hauptstadt der Republik Tatarstan) auf die Bühne der Staatsoper und in Folge in die internationalen Häuser zu schaffen. Denn auch der Weg einer Opernkarriere hat sich radikal gewandelt. "In unserer Zeit ändert sich das Leben so schnell, die Menschen ändern sich so schnell, die Geschmäcker. Man muss immer on top sein", sagt Garifullina. "Man braucht einen guten Vocal Coach, einen Mentor. Man muss gut aussehen, immer fit bei Stimme sein, viel arbeiten, zumindest ab und zu Sport machen, sich gut ernähren, sich pflegen. Auch Schauspielen kann und muss man lernen. Und am richtigen Ort zur richtigen Zeit sein. Glück muss immer dabei sein."

Da sind also auch viele Opfer dabei. Ist die Karriere das wert? "Ja, sehr viele Opfer. Keine Partys, ich habe nicht sehr viel Zeit für Freunde, habe in Russland schon eine gute Freundin verloren. Freundschaft ist auch harte Arbeit! Man ist ab und zu einsam, damit muss man lernen, umzugehen. Aber ja, das ist es wert." Denn immerhin kann man als Sängerin nicht nur die schönsten Werke der Operngeschichte im wahrsten Sinne erleben.

Wie war denn der Dreh mit Meryl Streep zum Film "Florence Foster Jenkins"? "Unvergesslich!", sagt Garifullina. "Ich habe mich selbst gespielt, eine Opernsängerin auf der Bühne. Das war einfach. Wir haben das ganz schnell gefilmt." Und trotzdem mit einigen Überraschungen: "Man steht um fünf Uhr in der Früh auf! Ich dachte, das ist wie in unserem Beruf, dass man lang schläft, auch um ausgeruht und gut auszusehen. Alles ist streng geplant. 15 Minuten fürs Frühstück, 30 Minuten für Make-up ... Jede Szene wird 20 bis 25 mal wiederholt, obwohl Hugh Grant und Meryl Streep so großartige Schauspieler sind! Jedes Mal muss es natürlich aussehen. Meryl Streep sagt fast nie eine Phrase gleich, um es wieder natürlich zu machen." Gibt es ein Da capo? "Ich würde wahnsinnig gerne noch einen Film drehen!"

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