Die Geschichte eines Emigranten, der in seine Heimat will und unschuldig in die Hände der Ordnungshüter gerät, dient als eine Art roter Faden. Der Unterschied zur Uraufführung 1961 in Venedig: damals stand der Kolonialkrieg um Algerien im Hintergrund, heute ist Afghanistan im Fokus, und 167 Personen, perfekt geführt, folgen einer präzisen Choreografie der Grausamkeit. Unablässig wird jemand festgenommen, niedergeschlagen oder malträtiert. Massen sind ständig in Bewegung, werden jäh zum Stillstand gebracht und wirken wie ein Gemälde von Hieronymus Bosch im Setting von heute.
Famos agieren die Performer Sung-Im Her, Misha Downey, Yonier Camilo Mejia aus Lauwers eigener Truppe, der Needcompany. Einziger Einwand: Lauwers ersetzt Poesie durch Realismus und räumt der Fantasie beim Betrachten nur wenig Platz ein, und er lässt nichts aus. Nono, Kommunist und Humanist, hatte sein Libretto aus Texten von Bert Brecht, Majakowski, Paul Éluard, Jean-Paul Sartre und anderen zusammengestellt. Lauwers ergänzt mit einer von ihm geschaffenen Figur. Ein blinder Poet (Victor Afung Lauwers, der Sohn des Regisseurs) kommentiert als ständig zitternde Kunstfigur das Geschehen.
Das wirklich Archaische, die Radikalität dieser Aufführung kommt aus dem Orchestergraben. Die Brillanz der Wiener Philharmoniker und das Dirigat von Ingo Metzmacher geraten zur Hommage an den Komponisten. Schlagwerke sind links und rechts auf den Balustraden über der Bühne platziert. Die Schläge setzen scharf und grell wie Blitze ein, changieren mit sphärenartigen, eindringlichen Chorpassagen. Exzellent agiert der Chor der Wiener Staatsoper.
Die Solisten sind famos. Sean Panikkar, ein echter Singschauspieler, gestaltet die fordernde Hauptpartie mit seinem hellen metallen timbrierten Tenor eindringlich. Mezzosopranistin Anna Maria Chiuri beeindruckt als Verschmähte. Sarah Maria Sun betört mit ihrem ausdrucksstarken Sopran. Großes Musiktheater, mit dem Akzent auf der Musik.
Von Susanne Zobl
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