"Onkel Wanja": Das ideale Wetter für Depressionen aller Art

Geglückte Charakterstudien in „Onkel Wanja“: Alexander Tschernek und Inge Maux
„Jedermann“-Regisseur Michael Sturminger inszenierte in Perchtoldsdorf mahnend Anton Tschechows „Onkel Wanja“

Als Intendant der Sommerspiele Perchtoldsdorf macht Michael Sturminger, der Regisseur der aktuellen „Jedermann“-Inszenierung, eines sicher nicht: Sommerspiele im klassisch-heiteren Sinn. Und heuer schon gar nicht.

Denn im exzellent dimensionierten Amphitheater hinter der Burg zeigt er „Onkel Wanja“. In diesem Stück ist, wie sich zeigt, jeder und jede unglücklich. Nicht nur der Titelheld, ungehobelt wie ein Waldschrat, hat das nicht ganz untrügliche Gefühl, sein Leben vertan zu haben.

Vor 25 Jahren verzichtete er zugunsten seiner Schwester, die eine Mitgift brauchte, auf das Erbe. Fortan rackerte er quasi als Verwalter des elterlichen Guts. Und er rackerte auch über den Tod seiner Schwester hinaus für den zu Höherem berufenen Schwager, der sich keinen Deut um seine Tochter kümmert.

Der auf Dauer angelegte Besuch des alten Herrn, der sich die Stadt nicht mehr zu leisten vermag, zusammen mit seiner zweiten Frau Elena, die jedem den Kopf verdreht, bringt alles durcheinander. Statt das Heu einzubringen, trinkt man Tee und noch mehr Wodka. Man sinniert und man jammert ohne Ende – auch über die Langweile (wie bei Iwan Turgenjews „Ein Monat auf dem Lande“, derzeit in Reichenau).

Das Wetter ist nachgerade ideal, um sich aufzuhängen. Wanja muss erkennen, einem Blender aufgesessen zu sein, der noch dazu das Gut verschachern will. Da rastet der gutmütige Kerl (Jörg Witte) aus, es kommt zur einzigen Slapstick-Szene.

Ansonsten herrscht eine depressive Grundstimmung. Und die mahnenden Worte des Arztes Astrow (Emanuel Fellmer), der die Umweltzerstörung samt Klimawandel beklagt, machen nachdenklich. Sturminger lässt zwar das Stück im Heute spielen (man hört Platten von Eric Burdon und Ella Fitzgerald), musste aber nichts aktualisieren: Die Brandreden gegen das Roden sind original Anton Tschechow, lediglich neu und nüchtern übersetzt. Und Sohn Paul Sturminger hat eine klare Metapher gefunden: Sein Gutshaus ist bloß ein Holzgerippe; die Platten liegen stoßweise herum.

Durch die Bank agiert man etwas zu behände, man turnt richtiggehend auf dem riesigen Ivar-Regal. Und Michou Friesz irrlichtert überqualifiziert als aufgetakelte Großmutter. Aber Alexander Tschernek vermag als bedauernswerter Telegin zu begeistern: Er schaut immerzu suchend, er nestelt verzweifelt, er lächelt verschmitzt, auch wenn er nur stumm in der Ecke sitzt. Zusammen mit Inge Maux als Amme macht er den Abend zum großen Vergnügen.

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