Oliver Sacks genoss es, mit Blumen verwandt zu sein
Oliver Sacks hat gewusst, dass er dieses Buch nicht mehr erleben wird. Er hat es vorbereitet, hat ihm einen Titel gegeben ("The River of Consciousness" = "Der Strom des Bewusstseins"), danach hat er Musik gehört, Bach und Mozart, hat Briefe diktiert, und wenn er nicht geschlafen hat, ließ er sich an seinem Bett aus Lieblingsbüchern vorlesen.
Zwei Jahre ist es her, dass einer der berühmtesten Neurologen und Psychiater der Welt an Krebs starb. 82 war er.
Wettlauf
In New York hatte der Londoner als Uniprofessor unterrichtet. Arzt und Schriftsteller war er – das Geheimnis, wie man wegen einer lockeren Schraube im Kopf seine Frau mit einem Hut verwechseln kann, hat man von ihm ebenso erfahren wie die Geschichte vom Maler, dessen Welt nach einem Autounfall ohne Farbe, nur noch schwarz-weiß war. Seine Fallstudie "Zeit des Erwachens" wurde mit Robert DeNiro und Robin Williams verfilmt.
Sacks war selbst ein Fall. Zum Beispiel war er unfähig, Gesichtszüge wiederzuerkennen; und als er sich nach einem Wettlauf mit einem Bullen an Nerven verletzte, empfand er sein Bein nicht mehr als zu ihm gehörend – was zu "Der Tag, an dem mein Bein fortging" führte. Wegen des Melanoms in seinem rechten Auge konnte er die Menschen nur noch dünn und lang gezogen sehen.
Verbschiedet hat er sich mit seiner Autobiografie "On the Move" und einem Essay in der New York Times: "Ich war ein fühlendes Wesen, ein denkendes Tier auf diesem schönen Planeten, und allein das war ein enormes Privileg und Abenteuer."
Wie wissbegierig Sacks war, sieht man in "Der Strom des Bewusstseins": Über die Zeit hat er sich Gedanken gemacht, über Geschwindigkeit ... über den Sinn der Blumen: "Ich genieße meine biologische Verwandtschaft mit allen anderen Lebensformen." Deshalb ist auch er so ein Genuss.
Oliver Sacks: "Der Strom des Bewusstseins" Übersetzt von Hainer Kober. Rowohlt. Verlag. 253 Seiten. 22,70 Euro.
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