"Man sollte den Terroristen U2 auf die iPhones laden"

Oliver Polak: Deutscher, Comedian, Jude.
Der deutsche Stand-up-Comedian Oliver Polak über den Terror in Paris, die Flüchtlingskrise und jüdische Mütter.

Oliver Polak hat eine Lösung für die Flüchtlingsfrage. In seiner satirischen Welt am Sonntag-Kolumne "Supersad" schlug er kürzlich vor, deutsche Neonazis in Züge Richtung Auschwitz zu setzen und ihnen dort in den ehemaligen Gaskammern den Schlager-Hit "Atemlos" vorzuspielen.

"Ich darf das, ich bin Jude", verkündete Polak bereits 2008 in einem für seine Karriere programmatischen Buchtitel. Schonungslos ist er auch, was seine eigene Person betrifft. Im Buch "Der jüdische Patient" (KiWi) berichtete er 2014, wie man als Komiker die Psychiatrie übersteht. Am Samstagabend liest er im Wiener Rabenhof (20 Uhr) aus seinen aktuellen "Supersad"-Kolumnen. Inklusive 30 Minuten neuer Stand-ups.

KURIER: Sie haben sich im Vorjahr öffentlich mit Ihrer Depression auseinandergesetzt. Ist "Supersad" nun als laufende Aktualisierung des Themas zu verstehen?

Oliver Polak: Die Depression habe ich glücklicherweise hinter mir gelassen, in der Kolumne geht es primär um die Traurigkeit und die Melancholie des Daseins.

Sie haben "Jüdisch" im Titel Ihres letzten Buches durchgestrichen, schrieben, Sie hätten sich als "Holocaust-Clown" gefühlt. Hat sich Ihre Rolle seitdem verändert?

Ja. Es war zwar nie eine Rolle, aber in Deutschland gibt es schnell einen Stempel. Der "Holocaust-Clown" war wohl eher Wunschdenken von Journalisten und deutschem Kabarettpublikum. Das Buchcover hat Daniel Richter gemalt und als er "jüdische" durchgestrichen hatte, dachte ich: Stimmt. Ich bin der Patient, aber wenn ich in Deutschland bin, bin ich der jüdische Patient.

Sie schrieben zuletzt: "Man müsste öfter leben, als ob man nichts zu verlieren hätte". Aber sind Sie nicht selbst ein Beispiel gerade dafür, dem Unangenehmen nicht auszuweichen?

Mmmh, stimmt. Was die großen Dinge betrifft, bin ich oft mutig, sagen Freunde. Aber manchmal, wenn es ums ganz Kleine geht, trau ich mich nicht. Ich könnte niemals mit einer Schlange im selben Zimmer pennen. Gut, bei Kaa aus dem "Dschungelbuch" würde ich eine Ausnahme machen, vorausgesetzt sie singt.

Apropos nichts zu verlieren: Würden Sie mit Ihrem "Welt"-Kolumnistenkollegen Matthias Matussek nach seinem Rausschmiss auf einen Kaffee gehen?

Nein, er sollte mit seinem Therapeuten Kaffee trinken gehen.

In Ihrem Text über Auschwitz spielen Sie wieder Ihre jüdische Identität aus. War es Ihnen ein Anliegen, das bewusst beim Flüchtlingsthema zu tun?

Es hat sich so ergeben, so etwas plant man nicht. Meine Mutter sagte dazu, dass man den Deutschen 1945 vergessen hat zu sagen, dass sie jetzt nicht nur nett zu den Juden sein sollen, sondern dass das auch für die ande-ren Religionen gilt. Das ist eine Feststellung, dafür brauchst du keinen beschnittenen Schmock, sondern nur eine Mutter. Eine jüdische ...(lacht) Grundsätzlich glaube ich, so schlimm die Flüchtlingskrise ist, dass es für das deutsche Volk das erste Mal ist, dass es sich wirklich mit seiner Identität auseinandersetzen muss. Die Kanzlerin bewundere ich für den Moment für ihre klare humane Entscheidung und es gibt abgesehen vom rechten Dreck eine ganze Menge Leute da draußen, die mehr als helfen.

"Man sollte den Terroristen U2 auf die iPhones laden"
In „Supersad“ verwenden Sie immer wieder englische Satzfetzen. Was gefällt Ihnen an der englischen Sprache so besonders?

Keine Ahnung. Es hat sich so eingeschlichen schon im letzten Buch. Ich mag das, allein schon, dass Welt.de-Leser sich im Forum auskotzen, was aus der alten guten deutschen Sprache geworden ist. Dafür hat sich das dann schon gelohnt. I like it.

Lesen Sie manchmal Online-Kommentare zu Ihren Artikeln? Oder macht Sie das auch traurig?

Nein. Dein Handy hält die Illusion aufrecht, dass es jemanden interessieren könnte, was du für eine Kommentarkacke schreibst. Wenn du das deiner Frau beim Abendbrot erzählen würdest, würde sie dir wahrscheinlich nur sagen: „Halt die Klappe“. Oder wie sagt man in Wien? "Halt die Gosch'n."

Welchen Song würden Sie den IS-Terroristen gern vorspielen?

Wenn U2 wirklich etwas gegen den IS unternehmen wollen, schlage ich vor, dass sie ihr nächstes Album kostenlos auf die iPhones der Terroristen laden.

Was kann die Satire im Umgang mit dem Terrorismus leisten?

Satire muss überhaupt nichts leisten im Moment. Satire passiert oder nicht. Und vom Umgang würde ich mir weniger heuchlerische Selbstdarsteller im Netz wünschen, die noch ein Stück vom digitalen Totenkuchen abbekommen möchten.

Machen Sie die Terrorattacken supersad oder eher superangry?

Eher supersangry. Die letzten fünf Tage war ich verstört und traurig. Ich habe einen Text über die Heuchler geschrieben, der in der Welt am Sonntag veröffentlicht wird. In Wien bekommt man den schon am Samstag (Rabenhoftheater, 20 Uhr, Anm.) live von mir vorgelesen. Der ist wirklich traurig, also – bis auf die komischen Stellen.

(Das Interview wurde per eMail geführt)

INFO: Oliver Polaks Text über "teilnahmslose Teilnahme" an den #ParisAttacks können Sie hier lesen.

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