"Nussschale": Ein Smoothie voll Shakespeare-Gift in Wr. Neustadt

Auf einer Bühne sitzen zwei Personen vor einer Projektion eines Mannes und eines Computers.
Das Wortwiege-Festival in Wiener Neustadt zeigt eine Dramatisierung des Ian-McEwan-Romans "Nussschale". Ein schwieriges Unterfangen, das keineswegs gescheitert ist.

„O Gott, ich könnte in eine Nussschale eingesperrt sein und mich für einen König von unermesslichem Gebiete halten, wenn nur meine bösen Träume nicht wären.“

Dieses berühmte Zitat aus Shakespeates "Hamlet" verwandelte Ian McEwan 2016 im Roman „Nussschale“ in ein absurdes Gedankenexperiment. Hamlet – hier „Ich“ genannt – lebt im Bauch von Trudy (analog zu Gertrude) wie in der sprichwörtlichen Nussschale und verfolgt das Geschehen in einer Londoner Wohnung. Auch das Brudermord-Motiv wird umgesetzt: Gemeinsam mit ihrem Geliebten und Schwager Claude (Claudius) schmiedet Trudy ein Giftsmoothie-Komplott gegen ihren Ehemann John.

Vier Schauspieler stehen mit Weingläsern auf einer Bühne.

Claude, John, Trudy und Elodie

Ein Paar sitzt vor einer Leinwand mit dem Porträt eines jungen Mannes.

Auf einer Bühne liegt eine Frau auf einer Couch, während ein Mann daneben steht und ein Gesicht auf eine Leinwand projiziert wird.

Eine Theaterszene mit einer Frau auf einer Liege und einem Mann im Astronautenanzug im Hintergrund.

Anna Maria Krassniggs Festival Wortwiege konnte im Rahmen des Zyklus’ „Bloody Crown“ die Rechte für eine Dramatisierung an Land ziehen – und wurde der schwierigen Aufgabe gerecht.

Futuristisch

Das bedächtig räsonierende „Ich“ (Flavio Schily) wird via Video eingespielt, gedreht wurden diese Sequenzen im futuristischen Ambiente des AKW Zwentendorf und des Forschungszentrums MedAustron. Dass die Annahme eines hoch gebildeten, feingeistigen Säuglings optisch nicht einfach nachgestellt wird, ist der große Gewinn dieser Umsetzung. Die Distanz, die dadurch gewonnen wird, lässt die ganze Konstellation sogar plausibler wirken, da das "Ich" so eher entrückt beziehungsweise vergeistigt wirkt. 

Aber schon McEwans Text versucht gar nicht erst, die Sache allzu ernst zu nehmen. So freut sich das „Ich“ im Astronautenanzug über „durch die Plazenta dekantierten Burgunder“. Er saugt alle Weisheiten der von seiner Mutter abonnierten Podcasts auf. Übers Radio nimmt er aktuelle Weltprobleme wahr (Umwelt! Migration! Viren!).

Wirklich vertieft werden die angerissenen Themen nicht. Spannung baut sich aber tatsächlich auf, weil man sich fragt, wie der Säugling in die erstaunlich konventionelle Krimistory (eine Kommissarin tritt auf) eingreifen könnte. All das wird intelligent umgesetzt und solide gespielt.

Am Freitag (17.9.) folgt in den Kasematten die Premiere von „Dantons Tod“.

Kommentare