Mikro statt Kameras
Aus den zwei Duetten wurde schnell mehr. Auf dem eben erschienen Album „Premiere“ spielt Nora Tschirner Gitarre und Xylophon und singt so zurückhaltend, wie es die zarten Songs zwischen Pop, Chanson und Filmmusik mit Orchestrierungen im Stil der 50er- und 60er-Jahre verlangen.
KURIER: Prag formierte sich, als Sie vor eineinhalb Jahren Ihren Schulchor-Kollegen Erik wieder getroffen haben. Waren Sie in der Zwischenzeit auch in Kontakt?
Nora Tschirner: Nein. Wir hatten bei den Chor-Fahrten, wo wir auch viel miteinander Schifahren waren, eine schöne Zeit. Aber sonst war ich altersmäßig in einer anderen Liga. Wir sind sechs Jahre auseinander, das war gerade in dem Alter ein erheblicher Unterschied.
Erik Lautenschläger: Eigentlich haben Tom und ich schon 2010 mit dem Projekt angefangen. Ich bin mit Liedern, die für meine andere Band nicht gepasst haben, zu Tom ins Studio gegangen. Er hatte gleich die Idee, diese Orchestrierung im Stil der 50er- und 60er-Jahre dazu zu machen. Deshalb haben wir nur zum Spaß an diesen Songs gearbeitet. Und als wir dann eine gewisse Anzahl von Liedern in diesem Stil hatten, habe ich Nora wieder getroffen. Ein gemeinsamer Freund aus unserer Schule hatte eine Film-Premiere. Das war ein lauer Sommerabend, wo wir bis in die Nacht vorm Kino gestanden sind und gequatscht haben. Auch über die Musik, die ich mit Tom machte.
Nora Tschirner: Und ich wollte das unbedingt einmal hören. Denn Musik mit Jacques-Brel-Einflüssen und Einflüssen aus der Filmmusik, war in meiner CD-Sammlung immer schon sehr präsent. Ich habe aber selten Leute getroffen, die dabei auch gleich leuchtende Augen gekriegt haben.
Nora Tschirner: Nee, da gab es lange keine konkreten Pläne. Nur den Wunsch der Jungs, mich zu fragen, ob ich bei zwei Duetten mitsinge. Das haben die aber so gut verborgen, dass ich davon lange nichts mitgekriegt habe. Ich dachte, ich fahr mal ins Studio, hör mir das an, aber dann werde ich auch bald gehen, damit ich sie nicht störe.
Tom Krimi:Verbergen klingt so aktiv . . . eigentlich war es Schüchternheit.
Warum waren Sie schüchtern?
Tom Krimi: Weil Nora einen gewissen Status bekleidet und man könnte einem Musiker unterstellen, er will nur deshalb die Verbindung schaffen. Dabei hätte ich mich total unwohl gefühlt. Aber Erik hatte sofort an Nora gedacht, als wir das erste Mal über eine Duett-Partnerin sprachen, weil er ja wusste, dass das stimmlich super passen würde.
Wann haben Sie sich dann getraut, Nora zu fragen?
Nora Tschirner: Die haben sich gar nicht getraut, ich habe mich getraut! Das war ja das Geilste, dass sie mich ein Jahr lang in dem Glauben gelassen haben, ich hätte mich an die Band ran geschleimt. Ich bin zu Erik gegangen, weil ich von seiner anderen Band ein Lied gehört hatte, das ich ganz toll fand und bei einer Fernsehsendung singen wollte. Ich sagte, kannst du mir vielleicht dieses Lied borgen? Und dann sagten die Jungs, na ja, schau doch mal, du kannst ja auch noch dieses Lied hier singen. Aber keiner hat mir gesagt, dass sie das schon ein Jahr vorher auf dem Schirm hatten.
Nora, Sie haben ja auch schon vorher Musik gemacht und klassische Gitarre gelernt . . .
Nora Tschirner: Das darf man nicht zu hoch hängen. Ich war neben meiner normalen Schule auch noch in einer Musikschule, wo ich klassischen Gitarreunterricht hatte. Elf oder zwölf Jahre - da ist schon viel hängen geblieben. Aber ich war sicher keine Musterschülerin.
Klavier haben Sie auf der Musikschule auch gelernt?
Nora Tschirner: Ja, aber auch nur so reingeschnuppert. Als die beiden Hände zusammenspielen sollten, war's dann auch schon fast wieder vorbei. Aber jetzt zu merken, was hängen geblieben ist, ist schon schön. Denn ich habe damals nur gesehen, was ich alles nicht kann. Wenn ich eine Gitarre sah, hatte ich immer ein schlechtes Gewissen: Oh Gott, ich hab wieder nicht geübt!
War es damals Ihr Traum, Musik zu machen, oder war das doch die Schauspielerei?
Nora Tschirner: Die Schauspielerei war ja auch nie ein Traum von mir. Na gut, als Teenager hatte ich schon die Vorstellung, es wäre toll, wie Christina Aguilera singen zu können. Aber dass man zu seiner eigenen Stimme und Ausdrucksform findet, habe ich lange nicht für möglich gehalten. Ich dachte, dass ich musikalisch nicht genug mitbringe. Aber jetzt merke ich, es geht nicht um einen Wettbewerb in bestimmten Fähigkeiten, sondern darum, sich mit seiner Persönlichkeit einzubringen.
Sie sagten, dass Sie sich lange nicht getraut haben, Nora anzusprechen, weil sie so berühmt ist. Was sind die Vor- und Nachteile davon? Wie gehen Sie in der Vermarktung der Band damit um?
Tom Krimi: Wir haben uns vor allem überlegt, wie man das nicht über-vermarktet. Denn die Struktur der Band ist, dass Erik die meisten Songs singt. Er ist am ehesten das, was man als Frontmann bezeichnen würde, Nora ist Teilzeit-Frontfrau, eine gefährliche Ablenkung von Erik. Uns war klar, dass die Medien sofort sagen werden, das ist Noras Band. Um dem entgegen zu wirken, haben wir bewusst "Sophie Marceau" als erste Single ausgekoppelt, ein Stück, das Erik ganz alleine singt. Aber natürlich ist es toll, dass wir durch Nora einige Türen geöffnet kriegen.
Nora, haben Sie über die Vor- und Nachteile nachgedacht? Oft werden singende Schauspieler ja belächelt.
Nora Tschirner: Ich dachte nur, wenn ich so eine Lust darauf habe, das zu machen und wir so kreativ zusammen arbeiten, hat das auf jeden Fall eine Daseins-Berechtigung. Wenn es um die eigene Traum-Verwirklichung geht, halte ich den Ball nicht flach. Ich habe mich noch nie mit den Schubladen der Vorverurteilung beschäftigt.
Aber interessanterweise gab es bei Ihnen bisher keine Vorverurteilung.
Nora Tschirner: Das liegt sicher auch an der Qualität der Musik. Wir hatten in der Vermarktung gar keine große Strategie, außer der, dass wir uns darauf verlassen, was wir geschaffen haben. "Sophie Marceau" ist zwar eine der sperrigsten Nummern, die man rausbringen kann. Aber das sind wir: In diesem Fall keine Nora am Gesang, sondern irgendwo mit drin. Kein Marketing, wo man mich krass nutzt, sondern: Wir sind zu dritt!
Erik, bei vielen Ihrer Songs bin ich nicht sicher, ob sie ernst oder zynisch gemeint sind. Sind die Texte absichtlich zweideutig?
Erik Lautenschläger: Ich versuche, den großen Kosmos im Kleinen und Persönlichen abzubilden, weil das für mich am besten funktioniert. Manche Texte sind schon ironisch, aber sicher nicht zynisch. Es sind Beobachtungen, bei denen ich Ansätze auch in mir selbst wiedererkenne. Beim Stück "Warten" etwa: Auch ich lasse in meinem Leben oft Dinge schleifen. Natürlich sehe ich das bei anderen Leuten manchmal viel stärker ausgeprägt, sogar krankhaft. Wenn ich so etwas sehe und mich darin wiedererkenne, will ich darüber schreiben. Aber auch wenn die Texte oft überhöht sind, dadurch, dass sie melancholisch verpackt sind, ist immer Liebe mit drin.
Nora Tschirner: Die Texte sind mit großer Nachsicht geschrieben und schon auch humorvoll. Erik streitet das ja bei manchen Songs immer noch ab, aber ich finde, selbst wenn er 85 Tonnen Melancholie drauf packt, spiegelt sich darin schon das entlarvende Auge eines Humoristen.
Nora, schreiben Sie die Texte, die Sie singen, selbst?
Nora Tschirner: Nein. Das heißt nicht, dass es das auch in Zukunft nicht von mir geben wird. Aber diesmal bin ich relativ spät und unbeleckt in diesen Profikosmos gekommen. Es war ja nie als Band geplant, sondern Eriks Solo-Projekt mit Tom als Produzent. Ich habe mich ab und zu in die Arrangements eingemischt. Aber Tom und ich sind große Fans von Eriks Texten, da funken wir nicht rein. Ich hätte schon Interesse, das mal zu probieren. Aber mal sehen, ob ich das dann überhaupt kann - ich kann ja nicht einmal Tagebuch schreiben, ohne dass ich mich dauerübergeben muss.
Das heißt, dass Prag auf jeden Fall weiter geht. Werden Sie die Schauspielerei zugunsten der Musik zurückstellen?
Nora Tschirner: Ich habe sie ja schon zurückgestellt. Es ist nichts, wovon ich mich verabschiede, aber jetzt ist ganz klar die Band im Fokus. Wir haben ja auch ein Label gegründet, wir haben Proben und bereiten eine Tour vor. Ich habe jetzt seit einem Jahr gar nicht gedreht, nur zwei Synchron-Jobs gemacht. Aber natürlich werde ich auch wieder drehen, wenn mir ein Projekt gefällt.
Einer der Synchon-Jobs war das neue Tomb-Raider-Computerspiel. Waren Sie ein Fan von Lara Croft?
Nora Tschirner: Nein. Ich fand's ganz lustig, aber richtig spannend wird das für mich erst jetzt, weil Lara Croft in dem neuen Spiel charakterlich eine ganz andere Tiefe bekommt.
Tom Krimi:Das sitzt schon im Kopf.
Nora Tschirner: Bei mir im Herzen. Prag geht auf jeden Fall weiter. Für mich ist das total angenehm, weil ich als Schauspielerin ja immer nur ein paar Monate drehe und das war's dann. Es ist schön, etwas mit Zukunft und Perspektive zu haben. Und auch mit einer ganz anderen Verbindlichkeit. So nah die Beziehungen am Set auch werden, wenn man auch noch ein Label zusammen gründet, hängt man schon ganz schön aufeinander - wirklich wie eine kleine Familie.
Warum haben Sie ein Label gegründet? Wollen Sie auch andere Bands darauf veröffentlichen?
Nora Tschirner: Momentan nicht. Aber später kann ich mir das sehr gut vorstellen. Es hat mich immer schon interessiert, das Potenzial in Leuten zu entdecken und sie darin zu unterstützen, es zu entfalten. Erik Lautenschläger: Dazu kommt, dass Tom ein großartiger Produzent ist. Aber gemacht haben wir das Label, weil wir unsere eigenen Herren bleiben wollen und gemerkt haben, dass wir so viele notwendige Fähigkeiten mitbringen.
Tom Krimi: Erik hat die ganze Grafik und das Artwork für Prag gemacht. Nora hat bei unseren Videos Regie geführt und die Schauspieler-Kontakte hergestellt. So können wir viele der materiellen Investitionen in eine Platte durch unsere Manpower ausgleichen.
Nora, Sie waren lange bei MTV. Was haben Sie damals über die Branche gelernt, das Sie heute nützen können?
Nora Tschirner: Es ist schon sehr hilfreich zu wissen, wie es auf der anderen Seite aussieht, wie leidenschaftlich oder auch leidenschaftslos da teilweise im Marketing ran gegangen wird. Außerdem habe ich viel über Unterhaltung und Regie gelernt. Und auch viel über das Kämpfen gegen Leute, die schon aufgegeben haben, aber immer noch etwas zu sagen haben. Ich hatte eine ganz tolle Zeit bei MTV, aber ich musste auch Kämpfe durchstehen, wenn ich zum Beispiel an einer Zwei-Minuten-Moderation inhaltlich arbeiten wollte, weil es mir wichtig war, und man sagte, ach lass es doch. Was ich in diesen sieben Jahren an Diskussionen hatte, hat mich gestärkt dafür, dass wir jetzt unkonventionelle Entscheidungen treffen und die auch durchsetzen.
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