Nobelpreisträgerin Olga Tokarczuk: Krimi über Mars und Venus
Es liegt ein Mann tot in seinem Häuschen, ein kleiner, böser Mann. Er ist erstickt. Der Knochen eines Rehleins steckt in seinem Hals.
Zur Polizei kommt die pensionierte Lehrerin Janina Duszejko. Sie weiß, dass ihr Nachbar ... und später noch vier andere Männer umgebracht wurden. Sie kennt die Mörder: Es sind die Tiere des Waldes, die sich rächen für die brutale Jagd. Das sei eindeutig, denn der Mars war im Transit der Venus.
Die Polizei sagt:
lieber nichts.
Vibrationen
Olga Tokarczuk (Bild oben) macht Spaß, um etwas über unser krankes Verhältnis zur Natur zu sagen. Als ihr „Gesang der Fledermäuse“ vor zehn Jahren erstmals auf Deutsch erschien, wurde damit geworben, dass es ein Thriller sei.
Das war übertrieben.
Heute, bei der Neuausgabe im jungen Schweizer Kampa Verlag, der das Werk von Olga Tokarczuk herausbringt, reicht der dezente Hinweis auf dem Umschlag:
Die Polin schrieb einen Roman, den man, wenn’s denn sein muss, für einen Krimi halten kann. Denn es gibt Tote, und Janina Duszejko, die zugleich die Ich-Erzählerin ist, ermittelt mithilfe der Sterne. Sie wohnt an der polnisch-tschechischen Grenze, in einer Siedlung auf einer Hochebene, die im Winter fast leer steht: Die meisten Häuser werden von Städtern nur als Sommerquartier genutzt.
Abends beschäftigt sie sich mit Astrologie.
Und immer freitags übersetzt sie gemeinsam mit einem ihrer früheren Schüler Gedichte William Blakes ins Polnische. Von Blake stammt der Satz: Jeder Mensch ist verdammt, bis in ihm die Menschlichkeit erwacht.
Und das passt gut zu Janina, die überzeugt ist: Jede unserer Tat, in winzige Vibrationen der Photonen verwandelt, fliegt ins All. Dort kann alles wie ein Film begutachtet werden – fragt sich nur, von wem. An Gott glaubt sie nicht.
Es sind alle Untaten verzeichnet, mit denen die Natur ruiniert wird. Auch von den Jägern, die einst Janinas Hunde erschossen haben und sich stolz mit ihrer Beute fotografieren ließen.
Die Tiere ermorden die Menschen? Nein, so ein Spaß ist der „Gesang der Fledermäuse“ nicht.
Es mag ein Krimi sein, aber man wird nicht lange brauchen, um hinter die Wahrheit zu kommen.
Es ist ein Tierschützer-Roman, aber vor allem philosophiert er. Ist Traurigkeit das fünfte Element, das allem zugrunde liegt? Wer entscheidet, was unnütz ist auf der Welt? Und der Hochstand im Wald – wieso nennt man ihn Kanzel? Weil sich, so Tokarczuk, nicht nur in der Kirche ein Mensch über die anderen erhebt.
„Macht euch die Erde untertan“, heißt es hier und dort. Großartige Idee.
Olga
Tokarczuk:
„Gesang der Fledermäuse“
Übersetzt von
Doreen Daume.
Kampa Verlag.
320 Seiten.
24,70 Euro.
KURIER-Wertung: **** und ein halber Stern
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