"Springen musst du selbst"
Es ist nicht alles Witz bei Thomas Bernhard. Auch nicht in „Vor dem Ruhestand“ (Premiere: 5. September), einer Komödie auf der Suche nach den tief liegenden Ursachen für das Fortbestehen faschistischen Denkens. „In Wahrheit ist es ein schrecklich grausames Stück“ , sagt Nicole Heesters im KURIER-Gespräch. „Eine traurige, eine böse Komödie, gegen die ich mich lange gewehrt habe. Aber Herbert Föttinger wollte das Stück, weil wieder ein Rechtsradikalismus entsteht. Dabei hätte ich nicht geglaubt, dass so etwas wieder möglich ist. Ich dachte immer, so etwas erlebe ich nicht mehr.“
Im Theater in der Josefstadt hat sie ihren berühmten Vater Johannes „Jopie“ Heesters zum ersten Mal auf der Bühne gesehen – in John van Drutens Komödie „Das Lied der Taube“. Und er erklärte ihr: „Ich bin dein Sprungbrett, aber springen musst du selbst.“
Hier hatte sie selbst in den 50er-Jahren ihren allerersten Auftritt in Dodie Smiths „Der erste Frühlingstag“: „Mit Helmuth Lohner, Peter Weck und der ganzen Josefstädter Garde – Wilma Degischer, Erik Frey und Erni Mangold. Die gab’s damals schon. Ich war ja noch ein Kind.“ Und die große Helene Thimig als Lehrerin: „Sie war wunderbar und sehr streng mit mir. Ich hatte Angst vor ihr. Sie war eine Grande Dame mit einem genauen Blick, vor allem eine sehr kluge und kultivierte Frau. Kultur kann man auch durch abschauen lernen.“
Das Stück
In „Vor dem Ruhestand“ spielt Michael Mendl, bekannt aus Film und Fernsehen, den Gerichtspräsidenten und ehemaligen SS-Offizier Rudolf Höller, der jedes Jahr den Geburtstag Heinrich Himmlers feiert. Mit seinen Schwestern: Clara (Sona MacDonald) sitzt im Rollstuhl. Und Vera (Heesters) feiert Rudolf und „das gute Deutschland“.
Zuerst war „viel Überzeugungsarbeit zu leisten und eine Schwelle zu überwinden: Wie stellt man sich der Vergangenheit?“, sagt Elmar Goerden. In seiner Regie war Heesters zuletzt in Ibsens „John Gabriel Borkman“ in der Josefstadt zu sehen. Mit dem Angebot guter Stücke guter Autoren könne man sie immer nach Wien holen, so Heesters: „Ich habe großen Respekt, in Wien in einem Bernhard-Stück aufzutreten – dem einzigen übrigens, das in Deutschland spielt. Nach all den Inszenierungen, die ich seinerzeit im Burgtheater gesehen habe, ist das schon ein hoher Maßstab, der mich in Wien mit Thomas Bernhard verbindet.“
Seine Qualität? „Er hat den Finger in die Wunde gelegt mit ,Heldenplatz‘. Und auch mit ,Vor dem Ruhestand‘.“ Er konnte einen bestimmten Typus des Österreichers darstellen. Und die deutsche Seele? „Grandios“, sagt Heesters, die in Potsdam geboren, am Grundlsee und in Wien aufgewachsen ist und seit vielen Jahren in Hamburg lebt.
Vera ist eine grausliche Figur. Wie zieht man sich eine Rolle an, ohne dass man eine Sekunde so sein möchte?
Szenenfotos des Stückes
Wut
„Vielleicht indem man sie über die Wut spielt. Über den Hass. Das ist nicht mein normaler Weg. Ich will auch nicht so sein wie Vera. Aber das Komische und Erschreckende ist, dass man sich an die Bösartigkeit gewöhnt. Dass es plötzlich selbstverständlich wird, über ein taubstummes Mädchen so daherzuplappern“, sagt Heesters.
„Vera hat einen absoluten Gehorsam, einen Fleiß, eine Verlogenheit, ein Verdrängen, und alles zusammen ergibt ein Bild, das wächst. Allmählich rutscht man hinein in eine grausliche Figur. Und wenn man sieben Wochen lang an sieben Tagen mehr als acht Stunden damit beschäftigt ist, verliert es zwar nicht an Realität, aber der Schrecken, den man am Anfang hat, der verspielt sich.“
Die Premiere
Das Stück „Vor dem Ruhestand“ wurde von Thomas Bernhard als „Komödie von deutscher Seele“ bezeichnet.
Besetzung Michael Mendl gibt als Rudolf Höller nach 20 Jahren sein Bühnencomeback. Sona MacDonald spielt Clara, Nicole Heesters die Vera. Regie: Elmar Goerden.
Termine Premiere am 5. September (19.30 Uhr) im Theater in der Josefstadt. Termine weiterer Vorstellungen unter
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