Nick Mason zum Pink-Floyd-Konflikt: "Vermitteln hat keinen Sinn"
„Ich bin dankbar für die Karriere von Pink Floyd, dass wir derartige Anerkennung erfahren haben“, sagt Schlagzeuger und Chef-Archivar Nick Mason. „Aber eines ist noch besser, als mich mit der Geschichte dieser Band zu beschäftigen. Und das ist auf meine Trommeln zu hauen.“
Deshalb hat der 76-Jährige, der davor viele Jahre das Material für die Pink-Floyd-Ausstellung „Their Mortal Remains“ im Londoner Victoria & Albert Museum zusammengestellt hatte, 2018 Nick Mason’s A Saucerful Of Secrets gegründet. Mit dieser Band bringt er die frühen Alben von Pink Floyd auf die Bühne.
Jetzt wäre er wieder mit ihr unterwegs gewesen, musste die Tour aber in den Herbst verschieben. Genauso wie die Veröffentlichung der CD eines Konzertes von A Saucerful Of Secrets im Londoner Roundhouse, die jetzt am 18. September erscheint.
Eigentlich war es aber gar nicht Masons Idee, A Saucerful Of Secrets zu gründen. Lange Zeit dachte er nämlich, zwischen den Solo-Tourneen von Pink-Floyd-Bassist Roger Waters und Gitarrist David Gilmour, die sich vor langer Zeit aufgrund von Führungsansprüchen zerstritten hatten, keinen Platz zu haben. Bei ihren Konzerten können die Fans nämlich ohnehin alle Welt-Hits und Klassiker von „The Wall“ über „Time“ und „Money“ bis zu „Wish You Were Here“ hören.
„Damit wollte ich nicht konkurrieren“, erklärt Mason im KURIER-Interview. „Lee Harris, der Gitarrist der Blockheads, hatte die Idee, das frühe Pink-Floyd-Material zu spielen. Er ging damit zuerst zu unserem Bassisten Guy Pratt, mit dem ich seit 30 Jahren bei Pink Floyd zusammengearbeitet habe. Der war begeistert, und so dachte ich: ,Mit Guy kann es funktionieren‘. Dann kam noch Gary Kemp von Spandau Ballet dazu, der Gitarre spielt und singt. Und alle hatten so einen Enthusiasmus für das frühe Pink-Floyd-Material.“
Mason ging aber nicht in das Projekt, ohne vorher Gilmour und Waters gefragt zu haben: „Ich hätte ihre Erlaubnis natürlich nicht gebraucht. Aber ich fand, dass die guten Manieren das geboten haben. Und es war sehr gut. Beide gaben mir sofort ihren Segen. Roger kam voriges Jahr in New York mit auf die Bühne, wodurch das ein sehr spezieller Abend war. Und David hat uns einiges an Equipment für die Tour geliehen und kommt vielleicht auch einmal als Gast zu einem unserer Konzerte.“
Hat sich Mason – das einzige Pink-Floyd-Mitglied, das in allen Phasen dabei war, auf allen Platten und Tourneen mitgespielt hat und immer noch sowohl mit Roger Waters als auch mit David Gilmour befreundet ist – nur aus Höflichkeit den beiden gegenüber auf das frühe Floyd-Material verlegt?
„Nein, gar nicht. Ich mache damit genau das, was ich will. Denn ,Dark Side‘ ist vielleicht das ausgereifteste Album von Floyd, aber mein Lieblingsalbum ist ,A Saucerful Of Secrets‘. Denn da ging es um den Enthusiasmus und nicht um Expertise. Wir kamen vom College – in meinem und Rogers Fall vom Architekturstudium – direkt zum Musikmachen, weshalb die ersten Alben mit großer Spontaneität verbunden waren. Deshalb haben wir bei den Saucerful-Shows mehr Freiheit, können improvisieren und müssen nicht genau nachspielen, was auf Platte war.“
Hoffnungen auf eine Reunion von Pink Floyd macht sich Mason nicht mehr. Obwohl Veranstalter dem Trio dafür mittlerweile „ein paar Hundert Millionen Pfund“ bieten. Aber weder David Gilmour noch Roger Waters haben Interesse daran.
„Ich kann diesen Konflikt schon verstehen“, sagt Mason. „Er ist ja in so vielen Bands vorgekommen. Ich glaube, das Problem ist, dass Roger David nicht respektiert. Er hat das Gefühl, dass das Songschreiben das Wichtigste ist und dass Gitarrespielen und Singen Dinge sind, die auch aufgrund des Songwritings beurteilt werden sollten. Und er hadert immer noch damit, dass er damals vielleicht einen Fehler gemacht hat, als er ausgestiegen ist und gedacht hat, ohne ihn geht Pink Floyd nicht weiter.“
Versucht Mason, zwischen den beiden zu vermitteln? „Das hat keinen Sinn. Wenn ich glauben würde, dass das hilft, würde ich es ganz bestimmt tun. Aber ich denke nicht, dass ich da viel erreichen kann. Ich muss einfach damit leben. Ich finde es nur schade, dass diese beiden schon in die Jahre gekommenen Herren sich immer noch in den Haaren liegen. Es flammt immer wieder auf, wenn wir an Reissues oder ähnlichen Sachen arbeiten, wenn sie unterschiedlicher Ansicht darüber sind, wie wir das machen sollten.“
Beim kurz vor Weihnachten erschienenen Box-Set „The Later Years“ war das kein Problem, da war Waters nicht involviert. Das vereint nämlich jene Pink-Floyd-Alben, die nach Waters Ausstieg unter der Führung von David Gilmour erschienen sind.
Für die Neuauflage des Albums „A Momentary Lapse Of Reason“ in diesem Box-Set hat Mason Drums für Songs eingespielt, auf denen er im Original nicht zu hören war.
„Ich hatte damals kein Vertrauen in meine Fähigkeiten als Schlagzeuger, weshalb ich nichts eingespielt habe. Es jetzt zu machen, war Davids Vorschlag. Und es war eine Genugtuung, das jetzt noch einmal anzugehen. Auch, weil wir damals generell viel zu viele Instrumente und Spuren übereinandergelegt hatten. In den neuen, reduzierten Versionen kann man jetzt irgendwie die Musik besser hören.“
Trotzdem könnte der Konflikt zwischen Waters und Gilmour bald wieder aufflammen. 2023 feiert nämlich „The Dark Side Of The Moon“ 50-jähriges Jubiläum.
„Wir werden dazu sicher etwas machen, wissen aber noch nicht genau was. Spannend ist ja auch, dass es fast jedes Jahr eine neue Technologie gibt, die uns Möglichkeiten geben könnte, Reissues oder sogar Remixe anders und innovativ zu präsentieren.“
INFOS ZUR BAND
Roger Waters, Syd Barrett und David Gilmour trafen einander in der Schule. 1964 lernte Waters beim Studium in London Nick Mason und Rick Wright (Keyboards, † 2008) kennen. 1965 gründeten sie Pink Floyd.
1968 stieg Barrett, der die frühen Alben geprägt hatte, aus. Gilmour übernahm seinen Platz als Sänger und Lead-Gitarrist. Waters wurde zum Haupt-Lyriker, verantwortlich für die Konzepte zu Alben wie „The Dark Side Of The Moon“, „Animals“ und „The Wall“. 1985 stieg Waters aus. Per Gerichtsbeschluss wollte er die Auflösung der Band erwirken, was aber nicht gelang.
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