Nicht herumschubsen lassen, mein Sohn!
An Straßenkreuzungen in Perus Hauptstadt Lima, wenn’s rot ist, werfen junge Leut’ Ratten in stehende Autos, vor allem bei Frauen, die dann vielleicht entsetzt aus dem Wagen springen ... und die Diebe fahren weg.
„Ein diskreter Held“ ist, was einen nach diesen ersten Zeilen verwundern wird, ein optimistischer Roman des Literatur-Nobelpreisträgers von 2010.
Fast eine Seifenoper. Wie das Leben halt. Ein meisterliches Werk ist es nicht geworden. Mario Vargas Llosa hat sich mit seinen vielen Geschichten ein bissl verzettelt; außerdem schlug er mit einem fast unsichtbaren, meist weinenden Dämonen namens Edilberto Torres stark auf den Putz.
Aber: Der Unterhaltungswert ist groß.
Wie ein Schatten
Llosa ist in diesem Roman in sein Heimatland Peru zurückgekehrt. Die Wirtschaft brummt, und damit brummt auch das Verbrechen, das den Fortschritt wie ein Schatten begleitet.
Und die Söhne, die in dieser Gesellschaft aufwachsen, die kann man großteils vergessen – sagt uns Llosa: Dass die Alten ihr hart erarbeitetes Geld hergeben und sterben, das wollen sie. Zwei Erzählungen des anonymen Widerstands hat der Lateinamerikaner am Ende des Romans verschmelzen lassen; und zwar so, dass die Guten gewinnen. Da ist Felícito Yanaqué aus der Provinzstadt Piura, der es vom bloßfüßigen armen Buben mit viel Fleiß zum Transportunternehmer gebracht hat. Eine kleine Firma ist es nur geworden, aber immerhin kann es sich der 55-Jährige leisten, seiner jungen Geliebten ein Häuschen zu finanzieren.
Die Ehefrau? Schwanger war sie – nicht von ihm, wie sich herausstellt –, als Ehrenmann hatte er sie geheiratet. Nun wird er erpresst: Schutzgeld soll er zahlen. Das macht er nicht, denn – und das ist der Kernsatz in „Ein diskreter Held – schon der Vater hatte ihm gesagt:
„Lass dich nicht herumschubsen, mein Sohn!“
Macht er nicht. Niemals. Da kann sein Büro brennen, da kann die Geliebte entführt werden ...
Die zweite Geschichte: Der reiche Don Ismael Carrera aus Lima erlaubt sich, nach dem Tod seiner Frau die Haushälterin zu heiraten. Er ist 81, sie ist um die 40. Er ist nicht übergeschnappt. Sondern macht das, weil seine beiden Söhne Hyänen sind und er ihnen möglichst wenig vererben will.
Ein „Bravo!“ der Leser ist Don Carrera gewiss.
Von Vargas Llosa sowieso. Der ist auch schon 77; und schreibt am nächsten Roman. Vielleicht geht’s dann wieder weniger ausufernd. Muss aber nicht sein.
KURIER-Wertung:
INFO: Mario Vargas Llosa: „Ein diskreter Held“ Übersetzt von Thomas Provot. Suhrkamp Verlag. 381 Seiten. 23,60 Euro.
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