Im Sunshine State steht der Großteil der rund 300 lichtdurchfluteten, zum Garten oder zur Landschaft weit geöffneten Bauten des Begründers einer amerikanischen Moderne. Sie verkörpern das Lebensgefühl der 1950er-Jahre: Frei, offen und transparent behaupten sie ihren Platz in der Natur.
Mehr noch: Große Glasflächen, Spiegel und reflektierende Wasserflächen – die nur handbreit mit Wasser gefüllten "reflecting pools" – holen die Natur ins Haus.
Neutra gilt als sanfter Träumer der Moderne, aber auch als Pionier des nachhaltigen, ökologischen Wohnens, der mit Konzepten im Umgang mit der knappen, weil teuren Ressource Wohnraum und klimatischen Extrembedingungen überzeugen konnte.
Sein Credo: "Man stelle den Menschen in eine Verbindung mit der Natur. Dort hat er sich entwickelt und dort fühlt er sich besonders zu Hause."
International bekannt wurde er durch sein 1927 entworfenes "Lovell Health House" mit seinen weiten, hellen Durchblicken in Los Feliz bei Los Angeles. Es war das erste Einfamilienhaus in den USA, das in Stahlskelettbauweise realisiert wurde.
Neutras individuelle Entwürfe gehen einerseits auf den ornamentlosen Funktionalismus eines Adolf Loos zurück und geben andererseits den Sinnen Raum, um auf den Wind zu lauschen und den Tanz der Sonnenstrahlen auf Stein zu betrachten.
Noch in den 60er-Jahren betonte Neutra in ORF-Interviews: "Ich liebe Wien, bin überzeugter Wiener und Österreicher." Aber der Versuch einer späten Rückkehr und in seiner Geburtsstadt noch Projekte zu verwirklichen, scheiterte.
Das Wien Museum MUSA in der Felderstraße 6–8 beim Rathaus ruft jetzt den vielleicht international erfolgreichsten Architekten Österreichs des 20. Jahrhunderts, der hierzulande nur ein Bauprojekt – ein kleines Einfamilienhaus in der legendären Wiener Werkbundsiedlung 1932 – realisieren konnte, mit der Ausstellung "Richard Neutra – Wohnhäuser für Kalifornien" (bis 20. September) in Erinnerung.
"Das Ziel ist, Neutra jene Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdient", sagte einer der beiden Kuratoren, der Architekturfotograf David Schreyer. Präsentiert wird das "Schöner Wohnen" in Kalifornien durch Innen- und Außenansichten kleiner Einfamilienhäuser, von Privatpersonen bewohnt und öffentlich nicht zugänglich. Es sind ästhetisch hochwertige Gebrauchsobjekte, die auch Veränderungen ausgesetzt werden dürfen und sollen.
Kuratorenkollege und Kunsthistoriker Andreas Nierhaus ließ sich in Gesprächen mit den Bewohnern ihre Beziehung zu dieser spezifischen Art Wohnkultur und ihr Leben im jeweiligen Bauwerk schildern. Bilder und Texte geben damit intime Einblicke in eine hoch entwickelte, in Europa nach wie vor nur wenig bekannte Bau- und Wohnkultur.
In seinen Büchern hatte Neutra stets die großen sozialen Fragen im Blick. Auch wenn seine Häuser heute vielleicht als Luxusimmobilien gelten, so sah er selbst sein Ziel in erster Linie darin, leistbaren Wohnraum zu schaffen. Und wurde damit in den USA zum Star: 1949, am Zenit seines Ruhmes, zierte sein Bild sogar das Cover des Time-Magazins.
Neutra ging es um den Lebensraum von "höher nervenbegabten Wesen", um ein an den Einzelbedürfnissen der Menschen orientiertes Bauen.
Ganz im Gegensatz zu großen Siedlungen, so Neutra: "Termitenhaftigkeit und Leben im Zusammendrang, gehirnarmen Ameisen durchaus angemessen, scheint auf den ersten Blick den Menschen noch weniger gelegen als einsame Eremitenhaftigkeit. Höher nervenbegabte Wesen brauchen allenfalls mehr Isolierung und Distanzierung als Insekten mit nur ein paar Ganglien im Kopfende. Das verlangt allerlei Aufmerksamkeit in der Milieugestaltung für uns."
www.wienmuseum.at
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