Working Mum: So klingt das neue Musical "Maria Theresia"

Maria Theresia (Nienke Latten) und Franz Stephan (Fabio Diso) im Vordergrund, dahinter unheilsvoll Friedrich II. (Moritz Mausser).
Zugegeben, „Pragmatische Sanktion“ klingt nicht sexy. Das ist ein Begriff, der jetzt nicht besonders prädestiniert für einen fetzigen Ohrwurm ist. Auch nicht so Wörter wie „Allgemeine Schulpflicht“. Oder gar „Verwaltungsreform“. Insofern muss man den Machern von „Maria Theresia“ Respekt zollen. Denn alle diese Termini kommen in dem neuen Musical, das am Freitag im Wiener Ronacher Uraufführung gefeiert hat, vor. Vor „Präliminarfrieden“ ist man dann doch zurückgeschreckt. Aber man soll nicht unmäßig sein.
Denn Abstriche bei der historischen Genauigkeit muss man hier schon machen. Das Musical „Maria Theresia“ ist weniger eine Lektion in österreichischer Historie denn ein bunt gerüschter Female-Empowerment-Workshop. Zu Beginn lernt man die Kaisertochter als bildungshungrige Frau kennen, die herausgefunden hat, dass Bücher nicht nur zum Am-Kopf-Balancieren für aufrechte Prinzessinnenhaltung taugen. Davon hält ihr Vater wenig und schon gar nicht von der Idee, dass sie ihn als Herrscherin beerbt. Dabei hat sie einleuchtende Argumente: Wer, wenn nicht er könnte die Regeln ändern?
Alles easy
Aber das ist noch nicht alles: Auch mit ihrer Vorliebe für einen gewissen Franz Stephan strapaziert sie das kaiserliche Nervenkostüm. Der Herzog von Lothringen singt Sachen wie „Es ist easy“ und tritt hier mit einer Entourage an, die aussieht, als hätte sie gerade noch „Fuck Absolutism“ auf die Hofburg gesprayt. Mit dem ersten Liebesduett von Maria Theresia und Franz Stephan wird Disneyfizierungsphase 1 in der gesungenen Biografie gezündet. Deswegen muss zum Ausgleich ein böser Prinz her, und der ist, man ahnt es schon – ein Piefke. Maria Theresias Vater hat sie Friedrich II. von Preußen versprochen. Für ihn ist genau nichts „easy“, er hat ein krasses Kindheitstrauma und an ihm ist alles schwarz, von den Fingernägeln bis zur Seele. Dass Maria Theresia die Verlobung nicht akzeptiert, wird ihn zu allerlei Racheakten treiben.
Franz Stephan ziert sich (umgedrehte Geschlechterrollen!), aber schließlich wird doch geheiratet. Der kurze Rock der Maria Theresia verwandelt sich dabei in einem Manöver, das Song-Contest-Kandidatinnen vor Neid erblassen ließe, in ein schweres bodenlanges Kleid – Erwachsensein und Ernst des Lebens starten. Und das heißt: Kinder kriegen, dem Vater als Herrscherin nachfolgen und sich gleich in einem Krieg bewähren. Die Legende von der Kaiserin, die die Ungarn mit dem Säugling Joseph auf dem Arm zur Unterstützung einer „Mutter der Nation“ bringt, beschließt den ersten Akt mit rechtschaffenem Pathos.
Nach der Pause geht es dann um die schlechte Work-Life-Balance der Kaiserin, die ihre Ehe belastet. Dass ihr Gatte Schloss Laxenburg zu einem flotten Swingerclub gemacht hat, findet sie eher unverzeihlich. Aber man versöhnt sich, in einem lauten Trio zusammen mit Sohn Joseph, der in der Zwischenzeit Brieffreundschaft mit Friedrich geschlossen hat. Den Krieg, den das zur Folge hat, beendet Maria Theresia mit großer Geste – nachdem ihr der Tod ihres Mannes in Erinnerung gerufen hat, dass Frieden wahre Stärke ist.
Marie Antoinette im Kuchen
Das Musical von Dieter und Paul Falk (Musik), Jonathan Zelter (Liedtexte) und Thomas Kahry (Buch) orientiert sich mit Rap- und Hiphop-Passagen merkbar am Erfolgsstück „Hamilton“. Die fügen sich organisch in die üblichen Powerballaden mit Orchesterschmelz (musikalische Leitung: Carsten Paap) und Pop-Songs ein. Das Musical hat viele Schauwerte, die sich der Bühne von Morgan Large verdanken: Projektionen auf Palastfenster sorgen für Abwechslung, von Zuckerwatte-Ästhetik à la „Marie Antoinette“-Film über Neon-Minimalismus zu beeindruckenden Zerfallserscheinungen im Krieg. Die Regie von Alex Balga zeitigt einige originelle Ideen: Dass die Geburt eines Mädchens (statt eines Buben) unter anderem mithilfe eines Glücksrads angezeigt wird, ist eine treffende Symbolik. Dass bei der Vorstellung von Maria Theresias reichsstabilisierend verheirateten Kindern als Miss Parma, Miss Napoli und Co. Marie Antoinette aus einem Kuchen steigt, hat eine erfrischende Bösartigkeit. Die barock-punkigen Kostüme von Aleksandra Kica machen Spaß, da hätte man aber ruhig noch mehr Mut haben können. Die Choreografien von Jonathan Huor haben ein Spektrum von Breakdance zu Zeitlupen-Schlachtszenen.

Nienke Latten als Maria Theresia
Nienke Latten ist eine kraftvolle Maria Theresia, die einen bei ihrer Entwicklung mitnimmt. Fabio Diso als Franz Stephan gelingt das auch. Moritz Mausser stiehlt als Friedrich freilich die Show, er hat eine dunkle Dringlichkeit. Annemieke van Dam als Madame Fuchs und Annemarie Lauretta als die Mutter der Kaiserin bestechen vor allem in einer aufpeitschenden Girlband-Nummer.
Was dem Musical, dem Straffung nicht geschadet hätte, fehlt, ist ein eingängiger Hit, der einen weiter begleitet. Und den Ohrwurm mit der „Pragmatischen Sanktion“, den gibt es wieder nicht. Aber das wäre wirklich zu viel verlangt.
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