"Wicked" in Baden: Hexen und ein Fake-Zauberer

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Wer ist hier eigentlich gut oder böse? Darum und um Emotionen geht’s im Broadway-Musical „Wicked“. Ein Publikumserfolg ist die österreichische Erstaufführung in der Bühne Baden jetzt schon.

Ein Glücksfall für die heimische Musical-Szene in mehrfacher Hinsicht: Nach dem Mega-Erfolg von „Chess“ ist dem neuen künstlerischen Leiter der Bühne Baden Andreas Gergen mit der österreichischen Erstaufführung „Wicked“ erneut ein großer Wurf gelungen.

Die Show von Stephen Schwartz (Musik und Liedtexte) und Winnie Holzman (Buch) über die Magie zwischen Gut und Böse rund um die grüne Hexe Elphaba ist als Vorgeschichte des Klassikers „Der Zauberer von Oz“ seit 2003 internationaler Publikumsmagnet vor allem am Broadway in New York und im Londoner West End.

Die Premiere am Freitag im Kurstädtchen macht rasch deutlich: Da ist vielen vieles eingefallen. Da haben viele vieles richtig gemacht.

Da hat man vor allem keine bestehende Produktion als Abziehbild importiert, sondern die Rechte für eine eigene Inszenierung mit eigenem Konzept bekommen und sich dem Risiko einer neuen Kreation ausgesetzt.

Das Ergebnis erfüllt bei der mit Intrigen gewürzten Geschichte über Freundschaft und Verrat in Andreas Gergens Regie und visuell (Bühnenbild: Momme Hinrichs; Kostüme: Claudio Pohle), was sich Musical-Fans erwarten.

Opulent

Pomp und Bombast, Romantik und Dramatik, großes Illusionstheater, Emotionen mit Schluchz und Seufz, Songs, die eine große stilistische Spanne von kraftvollen Balladen bis zu verspielten Duetten bieten ...

Das Musical, das mit großen Ensemblenummern beeindruckt, basiert auf Gregory Maguires Roman, der die Charaktere und Geschichten von L. Frank Baum in „The Wonderful Wizard of Oz“ wiederbelebt mit einer frischen Story über die ungewöhnliche Freundschaft zweier Mädchen, die sich als von Grund auf verschiedene Zauberlehrlinge kennenlernen.

Politischer Aspekt

Vokal herausragend beide Protagonistinnen, die die ganze Bandbreite menschlicher Stärken und Schwächen vertreten: Laura Panzeri als grünhäutige Elphaba hat der mutigen Heldin schon in der italienischen Synchronfassung des Kinofilmes ihre Stimme geliehen und verkörpert live überzeugend die missverstandene Zerrissene zwischen Verletzlichkeit und Stärke, Idealismus und Wut.

Vanessa Heinz als Glinda ist im Hin und Her zwischen Zickenkrieg, Liebe und Rivalität beliebt. Das exaltierte Barbie-Blondchen schafft als am Ende stille Verbündete im Kampf gegen das Böse die Grätsche zwischen komödiantischer Oberflächlichkeit, charmantem Narzissmus und echter Freundschaftsfähigkeit.

Bewährte Altstars on stage sind Maya Hakvoort als Madame Akaber, die dem faulen Zauber erliegt; und Mark Seibert, untypisch besetzt als smarter Verführer und machtbesessener Fake-Zauberer, der gar nicht zaubern kann. Er steht für die Blender der 1930er-Jahre wie für die Populisten und politischen Maulhelden unserer Zeit, die behaupten, Probleme erkennen und lösen zu können – aber in Wahrheit keine Lösungen haben.

Timotheus Hollweg (Prinz Fiyero), der vom oberflächlichen Schönling zu einem jungen Mann mutiert, der bereit ist, seine Privilegien für den Kampf um Gerechtigkeit zu opfern, und Anna Rosa Döller (Nessarose), die tragisch schöne, verwöhnte jüngere Schwester von Elphaba, sind beide bekannt von Mörbisch und Teil der insgesamt starken Ensembleleistung.

Im grünen Bereich

Bis auf die akustisch im Dialog nur schwer verständliche Glinda also rundum (fast) alles „im grünen Bereich“, um in der zum Ambiente passenden Diktion zu bleiben.

Auch wenn man sich nach der mehr als dreistündigen Vorstellung plötzlich daran erinnert, was der französisch-argentinische Theatermacher Jérôme Savary so treffend pointiert sagte: „Alles, was auf der Bühne länger als zwei Stunden dauert, ist ein Fall für Amnesty International.“

Übrigens waren die Vorstellungen von „Wicked“ bereits vor der Premiere bis auf Restkarten auf Monate hinaus ausverkauft. Aber es gibt Wartelisten und wohl Zusatzvorstellungen.

www.buehnebaden.at

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