Je weniger einer hat, desto höher muss er es halten, schrieb Heimito von Doderer einst, und damit ist nicht nur die Innenpolitik großflächig erklärt, sondern auch die Populärmusik. In ermüdender Eintönigkeit leben etwa große Teile des deutschsprachigen Hip-Hop in der Dicke-Hosen-Dicke-Goldketten-Pose: Man wachelt mit 5-Euro-Scheinen in die Kamera und glaubt, damit etwas geschafft zu haben.
Das Gegenteil dieser „Neues Geld“-Aura ist Beyoncé. Die 28-fache Grammygewinnerin lebt längst ganz oben, und von dort herab kommuniziert man seinen Status nicht mehr über Protz und Prunk, sondern über die feinen Unterschiede, nicht übers verschwitzte Haben, sondern über das nonchalante Sein.
Beyoncé ist Identifikationsüberfigur des Schwarzen Schaffens und des Schwarzen Geschafft-Habens. Sie ist – zumindest in den USA, nach Europa übersetzt sichs nur bedingt – allseits verehrte Popikone, die aber längst keinen Pop mehr, sondern prunkvolle Hip-Hop-Avantgarde vorantreibt.
Und die normalen Mechanismen des Business kümmern sie nicht mehr. Sechs Jahre hat sie kein Soloalbum mehr herausgebracht, und schon gar kein reguläres. „Lemonade“ aus 2016 war ein visuelles Album mit Film und Kunst, zuletzt lieferte sie einen Soundtrack der „Black Lives Matter“-Bewegung. Charterfolge sind in diesem Universum Nebensache; Beyoncé prägt quasi per Existenz die US-Popkultur. Ein bisserl wie Madonna, als sie noch die Szene beherrschte, nur viel, viel lässiger.
Wiedergeburt
Nun aber ist Beyoncé an einem Punkt angekommen, an dem Madonna auch immer wieder war – mit gemischtem Erfolg: Man muss die Musik zum Status liefern. Am Freitag erschien nun also das erste von drei angekündigten neuen Beyoncé-Alben. „Renaissance“ ist ein Album höchster Meisterschaft.
Beyoncé dirigiert darauf das typische, aber ausgesprochen hochkarätige Orchester der Musikproduktion: DJs, Produzenten, Komponisten treten en masse an, um ein Sekundenschnipsel, einen Beat, eine Melodielinie beizusteuern, wie das heute eben so ist.
Dementsprechend divers ist das, was da zu hören ist.
Die Klammer ist wohl eine Hommage an jene Geschichte, aus der Beyoncé entstanden ist, die Tanzmusik von Disco über Soul und House und R’n’B bis zum Neuzugang Trap. Es ist ein entspanntes Nach-Pandemiealbum, ein Fest der gesellschaftlichen Wichtigkeit von Unterhaltungsmusik. Es ist zugleich ein Statement der kulturellen Selbstgewissheit, ein einordnender Blick auf die wahren Verhältnisse: Dies hier ist, natürlich, die Musik, die das Heute geprägt hat und prägt, und Beyoncé steht (derzeit) ganz oben in dieser Geschichte.
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