„Wir konnten einander nicht treffen, und Chris überredete mich, dass ich auch lerne, Musik am Computer zu machen“, erinnert sich Tennant in einem Interview für The Guardian. „Ich habe mir um 80 Euro ein Keyboard auf Amazon gekauft, das Chris mir empfohlen hat, mir Garage-Band auf den Computer geladen und You-Tube-Tutorials dafür angeschaut – aber nur für drei Minuten. Ich fand das langweilig“.
Deshalb blieb es auch für „Nonetheless“ bei der typischen Rollenverteilung, mit der die Pet Shop Boys 1981 begannen, nachdem sie einander in einem Elektronik-Laden (nein, keine Tierhandlung) in London kennenlernten, in dem sie Synthesizer kauften: Lowe bastelt die Basis der Songs zusammen, Tennant steuert Keyboard-Riffs, aber vor allem die Melodien und Texte bei.
Diese Arbeitsweise gibt auch den zehn neuen Songs den unverkennbaren Pet-Shop-Boys-Sound – obwohl die beiden mit „Nonetheless“ ruhiger und nostalgischer klingen als auf dem etwas härteren Vorgänger und fast jeden Track mit Streichern unterlegt haben.
„Die Nostalgie kommt vom Alter“, lacht der 69-jährige Tennant. „Aber es geht dabei weniger um mich. Eigentlich nur in zwei Songs: In ,New London Boy' schließe ich an den David-Bowie-Song ,London Boys’ an, in dem er beschreibt, wie er als Teenager in Soho in London rumgehangen ist. Ich war ein Teenager, als er mit Songs wie ,Starman', oder T-Rex mit ,Metal Guru' rauskamen, und Glam-Rock aufblühte.“
Nicht nur im Sound auch in der thematischen Gestaltung ist „New London Boy“, typisch für den Pop des erfolgreichsten Pop-Duos von Großbritannien. Tennant referenziert in seinen Songs seit jeher gerne die Kultur im Allgemeinen und die Pop-Szene im Speziellen. Er ist der Meinung, dass wir durch die Kunst lernen können, unser Leben besser zu verstehen, verbindet das aber mit Humor, Ironie und Sozialkritik.
Trumps Bodyguard muss für den verhassten Chef sterben
So schlüpft er in dem Song „Bullet For Narcissus“ in die Rolle eines Bodyguards von US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump, der sich damit anfinden muss, dass er für den verhassten Chef sterben könnte, weil Tennant es für „nicht auszudenken“ hält, wenn Trump wieder gewinnt. In „Dancing Star“ beschreibt er das Leben des von Russland in den Westen geflüchteten Ballettsuperstars Rudolf Nurejew, oder zeigt im Video zu „Loneliness“ einen homosexuellen Mann, der Zweisamkeit sucht, aber nur schnellen Sex auf einer Toilette findet.
Mit „The Schlager Hitparade“ beziehen sich die Pet Shop Bos auf ihre zweite Heimat Deutschland. In Berlin Mitte haben sie schon seit einigen Jahren ein Apartment, in das sie gerne zum Songschreiben kommen.
„Vor Corona sind wir dort ums Eck immer in eine Bar gegangen. Die hat jetzt zugesperrt, aber sie spielten einen Mix aus Deutschem Schlager und Eurodance. Und wir haben erfahren, dass im Hansa-Tonstudio, das berühmt für so coole Acts wie David Bowie, Iggy Pop und U2 ist, 90 Prozent der Produktionen Deutsche-Schlager- Schlager -Platten sind.“
In „A New Bohemia“, dem zweiten selbstbezogenen Song, sehnt sich Tennant in die 90er-Jahre zurück, in der er und Chris Teil der belebten, kreativen Londoner Pop-Szene, und Pop-Songs noch mehr Kunst als Kommerz waren.
„Keiner singt heute mehr über Dinge, wie wir es tun“, sagt er. „Im Pop singen sie nur mehr über sich selbst. Und du musst dutzende fantastische Beziehungen gehabt haben, die alle tragisch zu Bruch gegangen sind, dass du einen Hit damit haben kannst. In den 90ern gab es in London den Groucho-Club, in dem sich die Kreativen trafen. Dort haben wir Leute wie die Musiker von Blur oder Damien Hirst getroffen, Leute, die die gleichen künstlerischen Ambitionen hatten wie wir. In dem Song bedauere ich, dass es so eine Gemeinschaft nicht mehr gibt.“
Ein Österreich-Konzert der Pet Shop Boys ist 2024 nicht geplant. Aber das umtriebige Duo, das zwischen den eigenen Alben immer wieder Musik für Theaterproduktionen oder Filme schreibt, hat schon angekündigt, die immer noch laufenden und im gleichnamigen Film dokumentierte „Dreamworld“-Greatest-Hits-Tour auch 2025 weiter spielen zu wollen.
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