Neue Wiener Theater-Plattform gegründet
Ein Podium als Plenum - so präsentierte sich am Donnerstag die neue "Plattform zeitgenössischer Theater- und Tanzhäuser" (P.Z.T.T.) der Presse. Die künstlerischen Leitungen der 19 Mitgliederbühnen demonstrierten Einigkeit und Basisdemokratie. Es handle sich um einen "informellen und völlig unhierarchischen Zusammenschluss" von Bühnen, die zur Auffassung gelangt seien, die erhebliche Schnittmenge gemeinsamer Interessen am besten gemeinsam zu vertreten, sagte Eva Langheiter vom Theater Drachengasse.
Mit dabei sind 3raum-Anatomietheater, brut, Das Off Theater, Dschungel
Wien, Figurentheater Lilarum, Garage X, Interkulttheater, Kabinetttheater, KosmosTheater, Palais Kabelwerk, Rabenhof, Salon5, Schauspielhaus, TAG, Tanzquartier Wien, Theater Drachengasse, Theater Nestroyhof Hamakom, Theater Spielraum und WUK.
Keine "Off-Theater"
Diese Theater, die künftig auch keine ihrer Meinung nach hierarchisierenden Begriffe wie "Off-Theater", "Kleinbühnen" oder "Mittelbühnen" auf sich angewandt wissen wollen ("Eine kleine, aber nicht nur kosmetische Bitte", so Anna Maria Krassnigg vom Salon5) fühlen sich in ihrer künstlerischen wie kulturpolitischen Bedeutung krass unterbewertet und legten dafür eindrucksvolle Zahlen vor: 2010 hätten die 19 in der
Plattform vertretenen Bühnen 3.848 Vorstellungen gespielt und damit 415.350 Besucher erreicht - während etwa die "Tanker" VBW, Josefstadt, Burg- und Akademietheater, Volkstheater, Volks- und Staatsoper zusammen nur 3.276 Vorstellungen gespielt hätten und etwa das Burgtheater an allen Spielstätten 2009/10 mit 397.315 deutlich weniger Zuschauer erreicht hätte.
Die vorgelegten Förderzahlen belegen laut der Plattform ein krasses Missverhältnis. Alle 19 Bühnen der Plattform erhalten gemeinsam 13,83 Mio. Fördermittel (darunter nur 1,1 Mio. vom Bund), während "die sieben großen Bühnen in Wien" (das Theater der Jugend wird nicht eingerechnet) eine Förderung von über 200 Mio. Euro erhielten. Dies zeige, "dass die an der Plattform beteiligten Bühnen zusammen gut 15 Prozent des Wiener Theaterpublikums binden, dafür aber nur ca. sechs Prozent der bereitgestellten Fördermittel erhalten", heißt es in den Presseunterlagen.
Erhöhung der Fördermittel
Aus dieser "Schieflage der öffentlichen Anerkennung mittels Förderung" (Tanzquartier-Leiter Walter Heun) resultieren Forderungen, mit denen die "deutliche strukturelle Benachteiligung" beseitigt werden soll und die sich sowohl an den Bund als auch an die Stadt Wien richten: Unter anderem möchte man eine Ausweitung der Evaluierung der Wiener Theaterreform auch auf die großen Bühnen (Heun: "Die Evaluierung muss auch dort greifen, wo die größten Finanzmittel hingehen."), eine substanzielle Beteiligung des Bundes, der sich zunehmend aus der Förderung der kleineren Wiener Theater zurückgezogen hat, eine dauerhafte Erhöhung der Fördermittel samt regelmäßiger Indexanpassung, die Schaffung einer einheitlichen und transparenten Förderstruktur für alle Zuwendungsempfänger und Partizipation bei kulturpolitischen Entscheidungen.
Vor allem geht es aber darum, die "zum Teil sehr prekären, zum Teil würdelosen Arbeitsverhältnisse" (Krassnigg) der beteiligten Künstler deutlich zu verbessern. Während über die vorgelegten Forderungen offenbar Konsens herrscht, scheint über die Methoden, diese durchzusetzen, noch keine Einigkeit zu herrschen - zumindest in der Diktion: "Es ist ein Krieg - und wir versuchen ihn, intelligent zu führen", meinte Szene-Veteran Hubsi Kramar vom 3raum-Anatomietheater. In den Krieg ziehen wolle er keineswegs, entgegnete Johannes Maile vom WUK. Der Kampf dürfte also zwar gemeinsam, aber eher mit der Waffe des Wortes geführt werden. Margit Mezgolich vom
TAG: "Wir werden versuchen, Druck zu machen!"
Reaktionen der Kulturpolitik
Sehr unterschiedlich reagierten Kulturpolitiker auf die Forderungen. "Dass sich die Szene nun selbstständig formiert hat, hat für uns viele positive Effekte. Daher begrüße ich diese Initiative sehr", versicherte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny(SPÖ). Es sei legitim, dass sich die Theater an alle Subventionsgeber gleichermaßen richteten, so Kulturministerin Claudia Schmied (SPÖ), die gleichzeitig an die bestehende Arbeitsteilung zwischen Bund und Ländern erinnerte. Es sei "in der gegebenen Situation unrealistisch zu erwarten", dass der Bund neue Förderaufgaben übernehmen könne.
Natürlich sei auch für den Bund die Vielfalt des kulturellen Angebots ein hoher Wert, es sei allerdings kontraproduktiv, einzelne Kultureinrichtungen gegeneinander auszuspielen, sagte Schmied. Der Bund werde den eingeschlagenen Weg fortsetzen und sich im Rahmen der budgetären Möglichkeiten weiter auf Bundesinstitutionen, auf österreichweit wirkende Programme und die Förderung zeitgenössischer Kunst konzentrieren.
Mailath-Pokorny erinnerte daran, dass man bereits im Oktober 2010 begonnen habe, die Vertreter der Bühnen zu Round-Table-Gesprächen einzuladen. "Ziel war es, gemeinsam zu überlegen, wie die Stadt Wien dabei helfen könnte, dem großen kreativen Potential der versammelten Theater-, Tanz- und Performanceschaffenden noch mehr Durchschlagskraft zu geben."
Er schätze "die unglaublichen Leistungen, die diese Bühnen für die Stadt, für die internationale Vernetzung und als Motor der Entwicklung neuer Kunstformen erbringen". Durch die neue Plattform werde "die Einbindung der vielfältigen Szene in die derzeit stattfindende Bestandsaufnahme der Theaterlandschaft wesentlich erleichtert: eine konsolidierte Meinung ist naturgemäß einfacher einzubeziehen als 19 Einzelmeinungen. Und dass eine solche Bestandsaufnahme und Weiterentwicklung der Wiener Theaterlandschaft nur gemeinsam mit den Beteiligten erfolgreich sein, ist ohnehin klar."
Dass die derzeit vom NPO-Institut der Wirtschaftsuniversität Wien im Auftrag der Stadt Wien vorgenommene Evaluierung der Wiener Theaterreform wie gefordert auf die großen Wiener Bühnen ausgeweitet wird, kann man sich allerdings nicht vorstellen:
Josefstadt und Volkstheater würden ohnedies laufend überprüft und evaluiert, heißt es aus dem Büro des Kulturstadtrats, wo man auch darauf hinweist, dass Volkstheater und Josefstadt gemeinsam mit 14 Mio. Euro von der Stadt Wien gefördert würden und dabei 529.000 Besucher erreichten - was man als durchaus vergleichbar mit den 415.000 Besuchern der mit 13 Mio. Euro geförderten Plattform-Mitglieder hält.
Für die neu ausgeschriebenen Konzeptförderungen der Stadt Wien endet übrigens am 15. April die Einreichfrist. Anschließend wird die neue Jury (Amelie Deuflhart, Elke Hesse, Angela Heide, Thomas Licek und Michael Stolhofer) ihre Arbeit aufnehmen.
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