Neue CD: Cherilyn MacNeil rechnet ab

Neue CD: Cherilyn MacNeil rechnet ab
Auf ihrer neuen CD rechnet die Dear-Reader-Frontfrau mit dem christlichen Glauben ab. "Ich war eine radikale Christin" erzählt sie im Interview.

Um vier Uhr aufstehen und drei Stunden beten. Eine ganze Woche fasten - und das fünf, sechs Mal im Jahr. Obdachlose betreuen. Als Cherilyn MacNeil, Frontfrau von Johannesburgs Alternative-Export Dear Reader, 16 Jahre war, war das - und nur das - ihr Leben. "Ich war eine radikale Christin", erzählt sie im KURIER-Interview. "So sehr, dass es meinen Eltern, die mich bis dahin strikt gläubig erzogen hatten, schon zu viel war. Manchmal war unser Haus voll von Kindern, die ich auf der Straße aufgelesen hatte, um ihnen ein Bad und eine ruhige Nacht zu ermöglichen. Weil ich immer schon einen Hang dazu hatte, meinem Leben einen Sinn zu geben, war der Glaube meine ganze Welt. Und als das wegbrach, fühlte ich mich, als würde ich sinnlos im Nichts treiben."

Das ist die Stimmung mit der MacNeil das zweite Dear-Reader-Album "Idealistic Animals" aufgenommen hat. Die meisten Songs handeln von der Suche nach einem Ersatz, einer neuen Glaubens-Struktur - und der Enttäuschung, im Christentum nie wirklich Erfüllung gefunden zu haben.

Zweifel

"Ich hatte immer leichte Zweifel. Dinge wie das Konzept von der Hölle, dass man ewig leiden muss, nur weil man nicht an diese spezifische Bibel-Geschichte glaubt. Ich habe die Zweifel jahrelang unterdrückt - mit den Argumenten, die ich als Kind von meinen Eltern gehört habe: 'Gott weiß, was er tut, du musst vertrauen, dann kommt der Rest.'" Er kam nicht. Nie spürte die heute 24-Jährige eine spirituelle Verbindung zu Gott: "Wenn ich all die Aktivitäten und das Lesen der Bibel wegließ, blieb nichts über. Ich brauchte ein Zeichen, dass ich beim Beten nicht nur mit meinen vier Wänden sprach. Und ich bekam keines."

Deshalb wagte Cherilyn MacNeil vor zwei Jahren einen kompletten Neuanfang. Sie trennte sich von Darryl Torr, mit dem die Pianistin das erste Dear-Reader-Album "Replace Why With Funny" aufgenommen hatte, und zog von Johannesburg nach Berlin. "Die Stadt ist viel entspannter. Die Leute haben nicht nur die Arbeit und die große Karriere im Kopf. Ihre Prioritäten liegen im Spielerischen, bei Partys und den Künsten. Da fühle ich mich viel wohler. "

Harmonie

Die Idee, jedem Song der dort entstandenen CD einen Tiernamen zu geben, kam von "Man (Idealistic Animals)", dem ersten Lied, das sie dafür geschrieben hatte. "Ich betrachte die Menschen darin als einen Teil der Tierwelt. Anders als im Christentum, wo der Mensch sich über alles erhebt und die Natur zähmt, propagiere ich darin den afrikanischen Ansatz: Dass man mit der Natur in Harmonie lebt, nie mehr aus ihr nimmt, als man braucht. Da war es naheliegend, den Tieren die selbe Wichtigkeit zu geben, wie dem Menschen. So habe ich jedem Song ein Tier zugeordnet, das das darin beschriebene Gefühl repräsentiert."

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