Schröders Abschied von der Albertina: Schau mal, was da hämmert
Klar, die Welt dreht sich ungerührt weiter, aber manche Momente sind dann doch besonders: Nach 25 Jahren, in denen er die Albertina vom Sanierungsfall zum weltbedeutenden Museum und Sammlungs-Multi hochgejazzt hat, präsentiert Klaus Albrecht Schröder seine letzte Ausstellung.
Gewidmet hat er sie einem jener Sammlungszugänge – einer Schenkung, keiner Leihgabe –, mit deren Hilfe er das Albertinareich von der grafischen Sammlung zum Multispartenmuseumsimperium erweiterte. Und er hat dazu, natürlich, ein passendes Bonmot bereit: Die Albertina sei die wichtigste grafische Sammlung der Welt, habe Schröder am Anfang seiner Direktionstätigkeit immer gesagt, erzählt er. Nun habe sie die wichtigste grafische Sammlung der Welt – aber sei viel mehr.
Die Ware Liebe
Jim Dine (89) also zum Abschied. Der Amerikaner kreist mit seinem Werk um einige Hauptmotive, die alle aus dem Alltag entnommen sind und der Selbstbeschau des Kunstschaffenden gelten. Um das Herz etwa, das hier kulturhistorisch nahtlos als Sitz der Liebe auftaucht.
Um den Hammer und weitere Werkzeuge, die die Kindheit Dines geprägt haben. Um Pinocchio, der nicht nur eine lange Nase kriegt, wenn er lügt, sondern den alten Traum vom Kunstwerk, das lebendig wird, in die Kinderzimmer gebracht hat.
Und um den Bademantel – der ist auch in jenen Teilen der Welt, die keine Udo-Jürgens-Livekonzerte gesehen haben, ein Sinnbild für den Brückenschlag der öffentlichen Figur zum Privatleben.
An großformatigen Drucken entlang wandert man in der Schau also durch eine persönliche Alltagsikonografie, die quasi über die Bande zur Kunst wird: Hier spiegelt sich eine Welt, die hochpersönlich ist, aber breit anschlussfähig, ohne dem Publikum durch rigide Komplexität den Zugang zu versperren.
Apropos Spiegel: Dine, der bei der Präsentation der Schau selbst anwesend war, profitiert von zwei Eigenschaften, die bis vor gar nicht allzulanger Zeit als Makel galten: Er ist legasthenisch und Linkshänder. Was ihm zwar in der Schule das Leben schwer gemacht habe, aber im hier vor den Vorhang geholten Metier – der Druckgrafik – einen vielleicht überraschenden Vorteil bringe: Er sei nie erstaunt darüber, wie seine Arbeiten dann im Druck wirken, weil er immer genauso gut und von vornherein wisse, wie etwas gespiegelt aussieht, sagt er schmunzelnd.
Die Albertina ist nicht ganz happy mit der Einordnung Dines als Pop-Art-Künstler – aber gerade in der reinen Wirkungsmacht sind die gezeigten Werke auf positive Art nahe an dieser Kunstströmung. Es sind eindrückliche, in verschiedenen Durchdringungsgraden zu konsumierende Einzelwerke, deren biografische Aufladung und Zwischentöne sich vor allem im Zusammenspiel ergeben. Etwa wenn die früh als zentrales Thema aufgenommenen Hämmer (sie erinnern durchaus auch mal an die bedrohlichen Hämmer in Gerald Scarfes Animationen zum Pink-Floyd-Album „The Wall“) später in einem bunten Traum des Künstlers mit all den anderen Lebensmotiven Dines auftauchen.
Lebenserfahrungen
Pinocchio wiederum ist mal ein „blutender Bub“ in Schwarz-Weiß, dann ein von Lügnern umgebener Naivling – emotionale Lebenszustände, die unmittelbar an die eigenen Lebenserfahrungen anknüpfen können.
Und das „Herz in der Oper“ wird, dunkel umwölkt, von Hammer und Säge bearbeitet – und, wie nach jedem gelungenen Opernbesuch, wohl bald nicht mehr nur hämmern, sondern bluten. Ein Bild, in dem sich vielleicht auch Schröder zum Abschied wiedererkennen wird.
Kommentare