Neu im Kino mit Mads Mikkelsen : Der Wilde Westen liegt im Norden

Der König zählt hier wenig: Ludvig Kahlen (Mikkelsen) bekommt die Macht des Gutsherrn De Schinkel (Simon Bennebjerg) zu spüren
Von: Gabriele Flossmann
Den aus zahlreichen Filmklassikern sattsam bekannten „Wilde Westen“ verortet der geübte Kinogeher üblicherweise westlich des Mississippi, wo der kalifornische Goldrausch im Jahr 1848 seinen Ausgang nahm und im Jahr 1890 endete. In diesen Jahren verließen immer mehr weiße Amerikaner das Land an der Ostküste und machten sich im Westen das unbesiedelte Land zu eigen. Diese Expansion in den Westen, gehört bis heute zu den Gründungsmythen der amerikanischen Nation.
Und die Ureinwohner, die in diesem „unbesiedelten“ Land lebten? Das waren „Wilde“ und „Indianer“, die ihre Gegner skalpierten. Danach rauchte man mit ihnen eine Friedenspfeife und brockte ihnen auf diese Weise die Langzeit-Geisel eines Lungen-Karzinoms ein. So weit, so Western-Stereotyp.
Der dänische Regisseur und Drehbuchautor Nikolaj Arcel stellt diesem Gründungsmythos der USA eine europäische Version gegenüber: „King's Land“ ist ein bildgewaltiger nordischer Western mit leinwandfüllenden Landschaftspanoramen, Männern auf Pferden und einem Helden (?), der einem kargen Boden mitten im Niemandsland eine fruchtbare Farm abringen möchte. Dazu muss man als Zuschauer auch einige drastische Szenen verkraften können.
Das Historiendrama erzählt von den ersten Versuchen, die dänische Halbinsel Jütland zu besiedeln. Für die Hauptrolle des Ludvig Kahlen wurde Mads Mikkelsen mit dem europäischen Filmpreis ausgezeichnet. Der als unterkühlter Bond-Bösewicht aus „Casino Royale“ nachhaltig in Erinnerung gebliebene Schauspieler spielt mit unbewegter Miene diesen wortkargen, unbeugsamen Mann, der in die dänische Geschichte einging.
Gegner trägt Perücke
Einst war dieser Hauptmann, der nach 25 Dienstjahren im Heer die Erlaubnis des Königs erbittet, ein Siedlungsprojekt in der jütländischen Heide zu starten. Die Gegner dieses europäischen „Cowboys“ waren keine „Indianer“, sondern königliche Räte, die im Film als beamtete Schmarotzer mit gepuderten Perücken gezeigt werden. Da er bereit ist, die Unternehmung mit seiner schäbig kleinen Soldatenrente zu finanzieren, bekommt er den königlichen Segen.
Sein Weg vom Soldaten zum Farmer ist – im wahrsten Sinne – steinig. In staubtrockener Wildnis kämpft er sich mit der Spitzhacke durch einen Boden, der hart ist wie Beton. Ein Pferd, eine Trinkflasche, ein Lagerfeuer – viel mehr braucht er nicht.
Die Rocky Mountains-Kulisse fehlt, aber viel menschenfreundlicher ist der Wilde Westen Dänemarks, wie ihn Regisseur Nicolaj Arcel zeigt, auch nicht. Hier wie dort befinden sich Siedler im rechtsfreien Raum. Eine königliche Genehmigung zählt nichts für den Gutsherrn, der die Gegend mit grausamer Willkür beherrscht.
King’s Land. D/DK/SWE/NOR 2023. 129 Min. Von Nikolaj Arcel. Mit Mads Mikkelsen, Amanda Collin, Felix Kramer, Kristine Kujath Thorp.
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