Allein mit einem Roboter auf dem Schwebebalken

Eine eigenwillige Erinnerung an die einstige Spitzenturnerin aus Rumänien.

Ohne YouTube wird es nicht gehen. Man wird Nadia Comăneci (wieder) zuschauen wollen.

Olympia 1976, Montreal. Wie alt war sie? 14. Eine gespenstig bleiche Fee aus Rumänien. Kein Püppchen, denn Püppchen lächeln mitunter. Sondern ein 40 Kilo schwerer kommunistischer Roboter auf dem Stufenbarren und dem zehn Zentimeter breiten Schwebebalken.

Nadia Comăneci hat auch den Computer verrückt gemacht: Wie die Anzeigetafel Eins Komma Null Null zeigte, weil es noch nie zuvor die Höchstnote 10,0 beim Turnen gegeben hat und die Kommasetzung nicht programmiert war.

Wahrscheinlich wird man auch googeln wollen, um zu erfahren, was aus ihr geworden ist, nach der Flucht über Wien in die USA – zwei Wochen vor dem Sturz des Diktators Ceaușescu, 1989.

Daran ist die französische Schriftstellerin Lola Lafon, die zeitweise in Rumänien aufwuchs, nämlich überhaupt nicht interessiert.

Allein mit einem Roboter auf dem Schwebebalken
honorarfrei vom poper verlag, autorin

Die Kindheit endet, Karriere bzw. Sklaverei endet, die Ära endet, also hört auch der Roman auf.

"Die kleine Kommunistin, die nie lächelte" ist ein sehr eigenwilliges, ein stures Buch.

Es will vorrangig Bewegung festhalten. Der Körper der Turnerin wird vorgeführt. Nadia wurde weiblicher, mollig, und bekam deshalb tagelang nur Wasser, um bei den Moskauer Spielen 1980 noch Goldmedaillen für Rumänien holen zu können.

In diese Geschichte gehört auch Nadia C.s Menstruation, "die Krankheit". Wahrscheinlich gehört sie sogar mehr dazu als der ganze Mensch.

Man fühlt sich dadurch als Leser etwas unbefriedigt.

Korrekturen

Und doch ist es ein biografischer Roman. Aber keine Biografie. Eher ein Traum, der sich – wann immer es geht – an die Fakten hält und die Lücken mit Fiktion füllt.

Aber was ist das? Nadia Comăneci meldet sich alle paar Seiten selbst zu Wort!

Allein mit einem Roboter auf dem Schwebebalken
Cover

Sie greift in die Handlung ein, korrigiert die Autorin per Telefon und in Briefen, zickt herum, verteidigt die Trainingsmethode, zu der durchaus auch eine Ohrfeige gehört hat ...

Ein Kunstgriff ist das.

Nie hat Lola Lafon mit der Ex-Sportlerin Kontakt gehabt (die, vielleicht ersparet man sich ja doch das Googeln, mit Ehemann und Sohn in Oklahoma lebt, 53 ist sie).

Es hätte sowieso nichts gebracht, mit ihr zu reden. Nichts wäre dadurch "wahrer" geworden. Im Gegenteil, vermutlich.

In der Neue Zürcher Zeitung hatte sie vor zwei Jahren beteuert, als junges Mädchen verstehe man "nicht viel davon, was um einen herum passiert."

Außerdem "gibt so viele Geschichten über mich, ich kann mich nicht an alles aus meiner Vergangenheit erinnern."

KURIER-Wertung:

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