Nachrichtentechniker im Auftrag Gottes

Ausschnitt aus der Illustration "Anbetung des Christkindes durch Maria, Josef und Kinderengel" im Glockendon-Gebetbuch, 1536/'37
Die Schau "Engel - Himmlische Boten in alten Handschriften" in der Nationalbibliothek zeigt die Vielfalt der geflügelten Wesen.

Gerade zur Weihnachtszeit sollte man Engel nicht widerstandslos den Punschstandbetreibern, den Christbaumschmuckproduzenten und den Esoterikern überlassen.

Die geflügelten Wesen, die uns bald wieder flächendeckend um die Ohren flattern und dieselben mit viel Frohlocken und Klingelingeling zustopfen werden, sind als Kulturphänomen nämlich viel zu interessant, um pauschal in der Kitschschublade abgelegt zu werden.

Engelein flieg!

Das dachte man sich wohl auch in der Österreichischen Nationalbibliothek, wo man über einen reichen Schatz exquisiter alter Handschriften und Drucke voller Engel verfügt. Im Prunksaal – einen Steinwurf von den weihnachtlichen Shoppingmärkten und Punschhütten der Innenstadt entfernt – ist nun eine Ausstellung entstanden, die äußerst präzise und verständlich die Geschichte der Darstellung und Verehrung von Engeln von der Spätantike bis ins 18. Jahrhundert vor Augen führt. Neben süßen Putten und Schutzengeln treten dabei auch Engel mit Flammenschwertern, gefallene Engel und apokalyptische Posaunenbläser auf.

Volksglaube

Dabei zeigt sich: Zwischen dem Volksglauben an Engel und der von der jeweils dominierenden Religion sanktionierten, theologisch argumentierten Verehrung der ätherischen Wesen bestand seit jeher ein massives Spannungsverhältnis. Wie viele Engel, so wird etwa an einer Stelle gefragt, darf man verehren? Nur die drei in der Bibel erwähnten „Erzengel“ Michael, Raphael und Gabriel – oder auch jene, die im nicht-biblischen Henochbuch vorkommen und Namen wie Raguel oder Remiel tragen?

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Verkündigung an Maria. Liutold-Evangeliar, Mondsee, um 1170
Solche theologischen Auseinandersetzungen fanden stets auch ihren Niederschlag in Bildern. Die Nationalbibliothek zeigt dazu Seiten aus mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bibeln und Gebetsbüchern, die allein wegen ihrer enormen Kunstfertigkeit faszinieren.

Das sogenannte „Liutold-Evangeliar“ aus dem Kloster Mondsee, das eine Verkündigung an Maria auf goldenem Grund zeigt, ist mit einer Entstehungszeit um 1170 das älteste Exponat; der prächtige Holzschnitt mit der „Verteilung der Posaunen an die sieben Engel“ von Albrecht Dürer (1498, großes Bild) der prominenteste.

Obwohl Kuratorin Maria Theisen vorrangig auf Bestände aus dem christlichen Kulturkreis aufbaute, sind einzelne Vitrinen auch der Bedeutung der Engel im Judentum und im Islam gewidmet. Die Exponate aus jüdischem Kulturkreis sind vorrangig Quellentexte, die die Ursprünge des Engelglaubens belegen; die persischen Miniaturen, die etwa die „Himmelsreise Mohammeds“ illustrieren, warten mit Farben und auch gegenständlichen Bildern auf.

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Welche Wesenszüge den Engeln in verschiedenen Kulturen und zu verschiedenen Zeiten auch zugeschrieben wurden – konstant bleibt ihre Rolle als Vermittler zwischen der göttlichen und menschlichen Sphäre.

Apokalypse als App

Die göttlichen „Nachrichtentechniker“, wie der Medienkünstler Peter Weibel die Engel einmal nannte, werden dem Publikum der ÖNB nun in einer äußerst zeitgemäßen Form nähergebracht. Zusätzlich zu Schautafeln, die die komplizierten theologischen Hintergründe erstaunlich gut verdichten, hat eine Gruppe von Studierenden der FH St. Pölten eine tolle Vermittlungs-Applikation entwickelt: Auf einem riesigen Touchscreen lassen sich die Seiten einer Bibel aus dem Jahr 1360, in der die Offenbarung des Johannes („Apokalypse“) illustriert ist, erforschen. Tippt man auf einzelne Figuren, wird die entsprechende Stelle aus dem Bibeltext aufgerufen, man tastet sich buchstäblich vom „Buch mit sieben Siegeln“ über Posaunenengel zum „Sonnenweib“ – und freut sich, dass historisches Erbe und moderne Wissensvermittlung so gut harmonieren.

Info

Bis 1. Februar 2015 im Prunksaal der ÖNB, Josefsplatz 1, 1010 Wien. www.onb.ac.at

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