Nach 30 Jahren ist „Rock am Ring“ am neuen Standort angekommen - dem Eifel-Ort Mendig. Für den Klassiker der deutschen Festivals ist das einschneidend. Zur Premiere gibt es Wetter-Kapriolen mit Verletzten, kleinere Anlaufschwierigkeiten und reichlich Musik.
08.06.15, 08:49
Es ist eine turbulente Premiere für den Festival-Klassiver „Rock am Ring“ in seiner neuen Heimat. In seinem 30. Jahr steigt das dreitägige Riesen-Event mit knapp 90 000 Fans erstmals auf dem Flugplatz des Eifelortes Mendig. Blitzeinschläge verletzten hier 33 Menschen. Der Stimmung tut das kaum einen Abbruch, hier kann Mendig mit dem Ex-Standort Nürburgring konkurrieren.
Toten Hosen
Gleich am ersten Abend sind die Toten Hosen der Top Act - die Band, die für reichlich legendäre Momente am Nürburgring gesorgt hat. Einst rockte dort Sänger Campino mit gebrochenem Bein die Rennstrecke, nun ruft er den Fans in Mendig zu: „Wo ihr seid, ist Rock am Ring - egal, auf welchem Gelände.“ Die Schlagzeilen abseits der Bühnen bestimmen Unwetter, die das riesige Gelände in der Nacht auf Samstag heimsuchen. Dreimal schlagen Blitze ein, acht Mitarbeiter des Bühnenpersonals und 25 Besucher werden verletzt, müssen in Krankenhäuser.
Sogar die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer und Innenminister Roger Lewentz (SPD) kommen vorbei. Sie loben den Einsatz der Rettungskräfte und auch Veranstalter Marek Lieberberg. Als die ärztliche Leitung verkündet, dass es allen Verletzten wieder besser geht, herrscht Erleichterung. Lewentz' vier Kinder waren auch auf dem Gelände: „Natürlich denkt man da sofort dran“, sagt er. Per Handy habe er sie aus dem Schlaf gerissen.
Blitze
Drumherum herrscht Stunden nach den Blitzen und einem vorzeitig beendeten Konzert von Fritz Kalkbrenner wieder der normale Festival-Ablauf. Laute Musik dröhnt, es gibt Ravioli aus Dosen. Zerfetzte Pavillons, Zelte und Müllsäcke zeugen von den Geschehnissen der Nacht. „Wessen Zelt steht denn noch?“, fragt eine Moderatorin auf einer Bühne. Viele Finger gehen nach oben, dann wird getanzt.
Christoph Müller aus Köln, dessen Zelt noch intakt ist, sagt: „Es hat nachts richtig geschüttet, das war schon heftig.“ Er sei zweimal raus und habe das Zelt fester gezurrt. „Morgens hatten wir tonnenweise Nachrichten auf dem Handy. Wir wurden gefragt, ob wir noch leben.“ Aber solch ein Wetter komme nunmal vor. Ähnlich sieht es Birgit aus der Nähe von Stuttgart. „Es hat ordentlich vibriert und richtig gerummst“, sagt sie. Abreisen wollte aber auch sie nicht.
Das fast schon legendäre Eifel-Wetter hat also ein weiteres Kapitel in der Geschichte von „Rock am Ring“ geschrieben - wie zuvor über Jahrzehnte am 30 Kilometer von Mendig entfernten Nürburgring. Auch in Nürnberg, wo das Zwillingsfestival „Rock im Park“ mit rund 80 000 Besuchern über die Bühne geht, hält ein Unwetter die Helfer in Atem. Hier wird in der Nacht auf Sonntag zum Schutz vor Hagel und Blitzen das Festivalgelände evakuiert, das klappt reibungslos.
Fazit
Und wie fällt nun das Fazit für Mendig aus? Klar ist, es kann nicht alles gleich reibungslos klappen. Anfangs mangelt es an Campingfläche, kurzerhand müssen bei Landwirten zusätzlich rund 30 Hektar aufgetrieben werden. Einige Fans beklagen, Gepäck müsse weiter geschleppt werden als früher. Eine Besucherin sagt: „Ich bin mit Rock am Ring am Nürburgring aufgewachsen. Da geht einfach nichts drüber.“
Es sind aber auch viele positive Stimmen zu hören zu dem neuen Gelände, das deutlich größer und gleichzeitig kompakter ist als das alte an der Rennstrecke. Und Musik-Größen gibt es auch in Mendig reichlich: neben den Toten Hosen etwa die Foo Fighters, Slipknot, The Prodigy oder weitere deutsche Vertreter wie Deichkind, die Beatsteaks oder Clueso. Weil Mendig Teil der Vulkaneifel ist, treten die Künstler hier auf Bühnen auf, die Crater oder Volcano heißen.
„Das meiste war richtig“, resümierte Lieberberg. Toll sei gewesen, wie sehr sich die Menschen und Verantwortlichen in und um Mendig auf das Großereignis eingelassen hätten. „Das habe ich in 46 Berufsjahren so noch nie erlebt.“ Das unterscheide sich elementar vom Nürburgring. Dort hatte sich Lieberberg mit den neuen Eignern der Strecke nicht auf eine Zusammenarbeit einigen können und war deshalb mit dem Festival-Tross nach Mendig umgezogen.
Es deutet also nichts auf eine kurze Stippvisite von „Rock am Ring“ in Mendig hin. Lieberberg schloss einen Vertrag für fünf Jahre mit der Option auf eine Verlängerung um weitere fünf Jahre. Und sagt am Abschlusstag: „Es ist ganz klar, wir wollen hier bleiben.“
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