Nova Rock: Wo die Ganzkörperbanane gedeiht

Nova Rock: Wo die Ganzkörperbanane gedeiht
Schwerer Start für Österreichs größtes Festival. Und das Line-up verweist auf künftige Probleme im Rockzirkus.

Ein großer Nachteil des Erwachsenendaseins: Man hat bei Weitem zu wenige Gelegenheiten, das Ganzkörper-Bananenkostüm auszuführen.

Daher erst einmal: ein Hoch auf die Rockfestivals. In der spießerfreien Zone – der derzeitige Zufluchtsort vor Muttis Zugriff: das Nova Rock in Nickelsdorf – sind selbst die paar bestehenden Verbote irgendwie lustig: keine Löcher graben!

Also bespaßen sich auch heuer wieder, mit einer gewissen Routine, vor musikalischem Hintergrunddröhnen die Rockfans: Rosa Häschenkostüm und Borat-Monokini, Wuschelperücken und schmerzhafte T-Shirt-Aufschriften, blöde Anmachsprüche und kreative Illuminierung – sie alle sind wieder da, in den zuerst staubigen, dann (am Samstag) zunehmend eingeschlammten Feldern nahe der ungarischen Grenze.

Und das ist gut so.

Umso ernüchternder ist es aber, wenn in dieses groß angelegte Rückzugsgebiet vor der verhunzten Erwachsenenwelt die Realität einbricht. Am Auftakttag in Form des unkooperativen Wetters und der großen Betroffenheit nach einem Todesfall am Gelände (ein 24-jähriger Besucher, der an einem Herzfehler litt, starb).

Pflicht

Von Beginn an tat sich das (nicht ausverkaufte) Festival heuer schwer. Man absolvierte das Pflichtprogramm – darunter: Oberbekleidung ablegen, unterm Partyzelt sitzen, trinken. Und auch die optionalen Programmpunkte – Bands anhören –; man drehte aber weitgehend vergeblich an der Spaßschraube.

Das mag nicht zuletzt am mageren musikalischen Angebot gelegen haben: Ein-Schmäh-Bands wie die Steel Panthers (Glam-Rock-Revival mit Ironie) oder die Baseballs (Charthits in Rock-’n’-Roll-Verkleidung), Ansprechend-Bluesrockiges wie The Answer, Unterhaltsames wie Gaslight Anthem – Vieles wurde am Freitag brav abgespult, ohne recht mitzureißen.

Und das sollte sich kaum ändern. Das Musikprogramm des Auftakttages hat sich dem Unwetter angepasst – es ist vorbeigezogen, ohne dass groß etwas passiert wäre. Co-Headliner Marilyn Manson, immer wieder gut für ein wenig Skandalhauch, musste sich dem Wind fügen und absagen. Der demnach einzige Freitags-Headliner Linkin Park war – nach der unerwarteten Aufregung der Geländeräumung wegen des Doch-nicht-Unwetters – verweht, glatt, im Großen und Ganzen in Ordnung.

Aber auch nicht mehr.

Retro-Skala

Nova Rock: Wo die Ganzkörperbanane gedeiht

Und auch im restlichen Programm schlägt es heuer allzu weit aus auf der nach hinten offenen Retro-Skala: Große Popmusikirrtümer wie Nu-Metal-Veteranen (Limp Bizkit) und Gothicpop-Hitparadenstürmer (wer erinnert sich noch an Evanescence?) kommen überraschend wieder zu Headliner-Ehren. Und nicht nur da verwischen sich die Grenzen zwischen ernst-betulichen Altstars und dem Punkt, wo das Ganze mehr oder weniger freiwillig lustig wird.

Wehren kann man sich jedoch kaum: Es ist ein schmales Feld, das Headliner-taugliche Band-Portfolio für den Festival-Sommer. Eine Handvoll Veteranen zieht Jahr für Jahr im Bandpaket über die mehr oder weniger ident programmierten Europa-Festivals, man spielt in der Vorwoche in Nürnberg bei Rock im Park und dann, leicht durchgewürfelt im Ablauf, in Nickels­dorf.

Die Toten Hosen, Metallica, Linkin Park – der heurige Jahrgang ist besonders überraschungsfrei. Es hat sich – ähnlich der Klassikwelt – ein enger Kanon etabliert, geprägt von einer glorreichen Zeit, als Bands noch viele CDs verkauften.

Alter Rock

Der Nachwuchs tut sich dagegen im veränderten, zunehmend breiter gefächerten Musikmarkt weit schwerer, derartige Massentauglichkeit zu erreichen. Resultat: Mit guter Wahrscheinlichkeit dürfen die Toten Hosen nach dem heurigen 30er auch noch weitere runde Jubiläen als Headliner feiern. Gut für sie, aber keine vielversprechende Aussicht für die künftige Lebendigkeit des Rockfestivalwesens: frische Stars täten not.

Etwaig aufkeimender Fadesse kann man natürlich entgegenwirken: Am 130 Hektar großen Nova Rock-Gelände ist wieder Jahrmarkt für die mehr als 50.000 Besucher pro Tag angesagt, mit "Braualtar" (übrigens standen da erfreulich viele Männerpaare an), Deodusche und Massagestation für Headbanging-geplagte Rocker-Nacken.

Und wenigstens weiß man in der überraschungsfreien Musik-Zone, was man bekommt – und dass das Spaß macht: Metallica, die am heutigen Sonntag mit "Black Album" und Snake Pit das große Finale bestreiten, haben auf der aktuellen Tour bewiesen, dass sie in herausragender Form sind.

Und die Toten Hosen (Samstagshighlight) sind längst den normalen Fragen – Relevanz? – enthobene Festival-Dogmen.

Freiwillig

Aber es gibt auch Farbtupfer in der Festival-Routine: Wie Rammstein, nur ohne Feuer, dafür (freiwillig) lustig sind Eisbrecher, die im Trachtenhut und mit Jodeleinlage am Samstagnachmittag für Amüsement sorgten. Das Wetter hat sich im Normalmodus (Nieselregen) eingependelt; und auch das Programm wurde gehaltvoller: insbesondere Kasabian ernteten zustimmendes Kopfnicken unter den Regenhäuten – hier war, mit Exaltiertheit und Experiment, ein gewisses musikalisches Wagnis zu erleben.

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