Donauinselfest: Festival der Superlative
Everybody please", ruft Simple Minds-Sänger Jim Kerr in die Menge und wirbelt sein Mikrofon am Kabel durch die Luft. Eingetaucht in blaues Scheinwerferlicht bewiesen die Headliner des zweiten Abends auf der Hauptbühne, wo ein paar Stunden zuvor Stefanie Werner und Reinhold Bilgeri die Menge aufgewärmt hatten, dass sie das Rocken nicht verlernt haben. Simple Minds zählten zu den erfolgreichsten Bands der 80-er und sind für Evergreens wie "Don’t You (Forget About Me)" und "Belfast Child" bekannt.
Hip-Hopper Samy Deluxe rappte zur gleichen Zeit auf der FM4-Bühne die Beats in den Boden, Schlagersternchen Michelle stimmte knappe zwei Kilometer weiter etwas zartere Töne an.
Public Viewing
Noch am Nachmittag pilgerten Kanzler Werner Faymann und Bürgermeister Michael Häupl ( SPÖ) über die Insel und schüttelten Hunderte Hände. "Tausend werden’s nach den drei Tagen schon sein", glaubt der Bürgermeister, der hier schon vor 29 Jahren als Jugendfunktionär Hände schüttelte. Sein musikalisches Highlight? "Meine Stars, die Beatles, sind hier leider nie aufgetreten." Ein schwacher Trost, dass Exkicker Hans Krankl mit Monti Beton auf der Hauptbühne Pilzkopfnummern sang.
Am Ende verlief aber auch der zweite Tag wie der erste: "Ruhig. Keine besonderen Vorkommnisse", hieß es bei Polizei und Samariterbund. Und nach derzeitigem Stand dürften auch heuer wieder drei Millionen Besucher zwischen Nord- und Reichsbrücke gezählt werden. Damit ist und bleibt das Donauinselfest das Festival der Superlative – das größte Freiluft-Openair Europas (siehe Grafik).
Vergiss Woodstock
Zum Vergleich: Das deutsche Rockfestival Bochum Total, das seit 1986 über die Bühne geht, zieht bei ebenfalls kostenlosem Eintritt gerade eine Million Musikfans an. Und das legendäre Woodstock kam 1969 ohnehin nur auf rund 400.000 Besucher.
"Vergiss Woodstock!", lautet deshalb auch der selbstbewusste Titel eines Buches, das vor wenigen Jahren erschien. "Ohne den Organisationsapparat einer Partei im Rücken wäre dieses Festival aber nicht durchführbar", sagt SPÖ-Landtagspräsident Harry Kopietz, Erfinder und einst Organisator des Fests.
Mittlerweile sind die Kapazitätsgrenzen aber ohnedies erreicht. Seit 2008 wird auf das samstägliche Feuerwerk verzichtet, das lange als ein Highlight galt. "Die Abwicklung des Besucherstroms war nicht mehr machbar." Sogar auf den Straßen zum Kahlenberg kam es zu Staus.
Heikle Situationen
Heikel war es auch 1995, als die Kelly Family vor 250.000 Zusehern spielte – bis heute absoluter Rekord. Die Teenie-Massen wurden mit Getränken versorgt, um Ohnmachtsanfälle zu vermeiden. Im allerletzten Moment karrten die Veranstalter neue Absperrgitter aus der Schweiz nach Wien. Die herkömmlichen waren für die jungen und kleinen Fans zu hoch. Oder die Unwetter 2009: Ein Sturm wehte Container um, Zelte hingen in den Bäumen. Jenes Jahr war auch die Feuertaufe für den jetzigen Organisator Sascha Kostelecky. Auch er denkt nicht an eine weitere Vergrößerung des Fests: "Es soll lieber die Qualität im Vordergrund stehen."
Sie zu halten, wird ohnedies immer schwieriger. Denn Top-Acts werden immer teurer. "Mein Traum wäre es, dass einmal Eros Ramazzotti bei uns auftritt. Doch ihn werden wir uns wohl nicht leisten können."
Eine kulinarische Weltreise in 30 Minuten
"Zusammen Leben. Zusammen Feiern", lautet das Motto des heurigen Donauinselfests.
In Sachen Multikulturalität hat die Insel tatsächlich viel zu bieten. Das gilt vor allem für die Kulinarik. Ein kleiner Gastro-Streifzug durch vier Länder:
Deutschland: "Das österreichische Publikum ist sehr gelassen. Die Deutschen sind da schon etwas rauer", erzählt Kurt Hammer aus Thüringen. Seit sechs Jahren schenkt er auf der Insel "Die Hammer Bowle" aus. Besonders beliebt ist der Klassiker Erdbeere (0,25 l um 3,50 €). Hammer ist gleich mit zwei Ständen vertreten: Bei der Ö3-Bühne und beim Ö1-Kulturzelt.
Kroatien: Langos, Burger und Hotdogs: Bernard Jukić aus Ottakring hat natürlich auch alle Klassiker auf seiner Speisekarte. Seine Spezialität sind aber die gebackenen Mäuse (4 € pro Portion), die er aus seiner Heimat Kroatien mitgebracht hat. Mit 16 Mitarbeitern verköstigt er die Besucher der Ö3-Bühne. "Natürlich ist das ein harter Job. Zwei Wochen vor Beginn des Fests muss alles schon geplant sein." Die gute Laune lassen sich er und sein Team trotz des Massenansturms nicht verderben: "Wir sorgen auch hinter der Theke für Stimmung. Im vergangenen Jahr war es bei uns lauter als auf der Bühne."
Thailand: Eine halbe Tonne Nudeln und 150 Kilo Reis gehen bei jedem Donauinselfest über die Theke des "Bamboo Garden", der das Publikum der FM4-Bühne verköstigt. Seit Jahren tingelt Betreiber Holger Redemann in Deutschland und Österreich von Festival zu Festival. "Hier bei euch zu arbeiten, ist fantastisch. Die Leute sind sehr hilfsbereit", sagt der Gastronom, der über seine thailändische Frau die asiatische Küche entdeckt hat. Seine diesjährige Insel-Spezialität: Thai Curry um 6 €.
Österreich: Für alle, die das Bier nicht glücklich genug macht, hat Susanne Brezina ein Rezept: Heiße Waffeln mit verschiedensten Toppings, wie etwa Schokosauce und Banane (ab 3 €). "Unser Glückshormonklassiker", sagt die Kremserin. Ein spezielles Mehl macht den Teig besonders flaumig. Wenn sich die Menschenmassen vor der Hauptbühne auflösen, ist die Arbeit für Brezina in ihrer Pagode schräg gegenüber noch lange nicht getan: Abwaschen, Kassa machen, nach Hause nach Krems fahren – erst dann gönnt sie sich ein paar Stunden Schlaf. "Eigentlich bräuchte man nach so einem Fest Urlaub."
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