Das Frequency Festival ist gestartet: Lichtblicke am Ballermann von St. Pölten

Chappell Roan. Das Bild stammt vom Festival in Göteburg. Beim Frequency Festival waren keine Agentur-Fotografen zugelassen.
Die Sonne brennt. Der Asphalt glüht. Wer am VAZ in St. Pölten Schatten sucht, sucht ihn oft vergebens. Bäume? Die gibt es auf diesem Gelände nicht wirklich.
Kein Wunder, warum zum Start des diesjährigen Frequency Festivals um 14.20 Uhr auch nur rund 30 Mutige vor der Bühne stehen, einen Hitzeschlag riskieren (oder vielleicht längst einen haben?). Dabei hätte sich Bartees Strange mehr verdient.
Der US-Amerikaner, der diesmal die Arschkarte gezogen hat, weil er den Konzertreigen eröffnen musste, schaut zwar ein bisschen aus wie der junge Stevie Wonder, aber macht - live begleitet von einer Band - lässige Gitarrenmusik, die er mit anderen Stilen kreuzt und kombiniert. Das klingt mal nach 70er-Jahre-Soul-Rock, mal nach Folkpop, R&B und Elektro-Jazz. So, als würde man sich durch verschiedene Radiosender zappen - ausgenommen Radio Niederösterreich und Ö3.
In den Texten geht es wesentlich düsterer zur Sache: Bartees Strange verhandelt darin seine Ängste, seine Leben als junger, queerer, schwarzer Mann im ländlichen Amerika. Dass er sein aktuelles Album "Horror" nennt, ist sicherlich kein Zufall.
Zeltsauna
Das Geschehen spielt sich am Nachmittag erst einmal auf dem Campingplatz ab, wo seit Montag Tausende Jugendliche ihr Zelt aufgeschlagen haben. Das Problem: Im Zelt hält man es auch nur bis maximal 10 Uhr in der Früh aus, danach hat es darin 50 Grad - und mehr. Aber immerhin rinnt die Traisen vorbei, in die sich viele den ganzen Tag reinlegen.
Was inzwischen am Festivalgelände passiert, ist verschmerzbar - viel versäumt man jeden Fall nicht. Es macht zum Beispiel nichts, wenn man der "Internetpersönlichkeit", dem TikTok-Star Jude York nicht beim Singen zugehört hat. Es waren zum Teil eh nur irgendwelche Coverversionen.

Der Tik-Tok-Star Jude York singt "Can't Get You Out Of My Head" von Kylie Minogue.
Einige Festivalbesucherinnen und -besucher fahren am Nachmittag in das Zentrum von St. Pölten, und gehen dort ein bisschen einkaufen. Absolutes Muss dieses Jahr: Cowboyhut, Cowboystiefel, Rock und bauchfreie Tops. Wem das dazu passende Nabelpiercing fehlt, wird am Festivalgelände fündig. Dieses Areal gleicht auch einer (staubigen) Einkaufsstraße oder eine Art Messegelände, wo sich die verschiedenen Marken präsentieren können. Es gibt Schminkstationen, eine Hütte, wo einem Deo-Dusche ("Duftnote: "Cherry Fizz") angeboten wird, eine "Spirit Stage", das ist so eine Art Spielhalle mit arger Dance-Musik (von Eurotrash bis DJ Ötzi) - gesponsert von einem Nikotin-Beutel-Hersteller.

Ein Besuch beim Frequency Festival erinnert einen auch an Billig-Airlines, bei denen zusätzliche Kosten fürs Gepäck, die Sitzplatzreservierung, man zahlen muss, wenn das Kleinkind ohne eignen Sitzplatz trotzdem zahlen muss. Der Grund: Der Shuttlebus vom St- Pöltner Bahnhof zum Festivalgelände kostet extra. Auf dem Ticket steht 15 Euro. Aber das ist laut Ticketverkäufer ein Druckfehler - kostet eh nur 10 Euro. Dafür darf man das ganze Festival lang mit dem Bus herumfahren. Dann muss man noch einen Müllbeitrag bezahlen. Journalisten müssen spenden: 15 Euro. Beleg gibt es dafür keinen. Mal sehen, was da in den kommenden Jahren noch so dazu kommt. Wie wäre es mit einem 10er-Block fürs ToiToi? Eintritt für den Badespaß in der Traisen? Ein Festival ohne Bands - also nur mit Zeltplatz? Warum nicht.

Skihüttengaudi bei Oimara
Am späten Nachmittag liefert der aus Tegernsee (Bayern) stammende Liedermacher seine skihüttentaugliche Mischung aus Hans Söllner, Ski Aggu und Andreas Gabalier auf der Green Stage ab. Gleich zu Beginn wird einmal angeprostet und über das "Bierli in der Sun" gesungen, dass dann massenweise getrunken wird: "No a Bierle bitte! Oans, zwoa, drei, vier. Siebn, acht, zehn, dreiazwanzg Bierle am Tog / Ge, leck mi am Arsch / Bin i dicht und tut des guad." Das spricht nicht gerade wenige Festivalbesucher an. Aber Oimara ist in gewissen Kreisen auch kein Unbekannter mehr. Er schaffte es immerhin bis an die Spitze der deutschen Singlecharts. Mit einem Lied namens "Wackelkontakt". Eines seiner Alben trägt den Titel "A Quantum Prost". Auf diesem Niveau bewegen sich dann auch seine Partyschlagerlieder. Ein bisschen Spaß muss sein ...

Money Boy
Das dachte sich auch Money Boy und dreht auf der Green Stage den Swag auf. Yeah! Der Wiener Rapper von Weltruf ballert zu die Magengrube massierenden Beats gerne (ohne Ball) und fährt immer nur Mercedes-Maybach. Er tut halt zumindest so als ob. Das ist ja auch der Schmäh von Rappern. Und Money Boy ist eine besonders gute, charmante Version davon. Guter Typ!

Hier ein älteres Bild von Suki Waterhouse. Es gibt leider kein aktuelles Bild von ihrem Auftritt beim Frequency Festival. Es wurden keine Fotografen zugelassen.
Ein Lichtblick
Suki Waterhouse ist Model, Influencerin, Schauspielerin und Musikerin. Oder wie sie selbst in einem Lied singt: "Model, Actress, Whatever". Es ist ja auch wirklich egal. Denn die Frau von Hollywood-Star Robert Pattinson, ja, das ist sie auch noch, steht zum ersten Mal in Österreich auf der Bühne und liefert eine fantastische Show ab. Ihre Lieder sind herrlich verträumt, dezent verhuscht, lethargisch-sexy und voller Sehnsucht – zwischen Glamour und Katastrophe, Party und Nervenzusammenbruch.
Sie trägt dabei einen weißen Haute-Couture-Nachtmantel mit wuscheligen Schulterpolstern und lässt sich damit fast schwerlos über die Bühne treiben, neben ihr agiert eine Band, die man als souverän bezeichnen kann. Suki Waterhouse besingt dann die Ambivalenz und Oberflächlichkeit des Hollywood-Showbiz, dem sie ja selber angehört. Das klingt mal poppig, mal nach Britpop, immer schön melodiös, nach Sixites, nach zu vielen Designerdrogen, nach einer Verschmelzung von Mazzy Star, Lana Del Rey und Lykke Li. Neben einer kleinen, aber feinen Auswahl an eigenen Songs von ihren zwei bisher vorliegenden Alben gab es auch noch eine gelungene Coverversion von Oasis "Don't Look Back in Anger". Ein Lichtblick.

Finch sorgte am Festival für Ballermann-Spaß
Saufen. Ballern. Rauchen.
Am frühen Abend ging es mit Finch in die Ballermann-Disco: Die Sauflieder des deutschen Spaßrappers werden mit böllernden und ballernden Highspeed-Techno-Beats geliefert: "Wir könn'n den Himmel berühr'n / Wir scheißen auf die Warnsignale / Und stürzen ab wie Kamikaze." Dazwischen spielt er einfach eine Playlist mit Lieblingssongs ab (von Scooters "One" bis zum Titelsong von Heidi) und besingt den Eismann. Wie sagen die Deutschen: Ganz schön Banane.


Chappell Roan
Pop-Burgfräulein vor der Windmaschine: Chappell Roan
Nach einer Stunde Umbauphase taucht US-Superstar Chappell Roan mit viel Getöse auf. Sie trägt ein florales und fetzigen Rüschenkleid und singt von einem Burgturm herunter. Vor, neben und hinter ihr agiert eine Band, die sich aus lauter Frauen zusammensetzt. Das freut die Frauenquote. Auf der Leinwand im Hintergrund fliegen Drachen vorbei, es raucht und dampft, es gibt Feuer und Trockeneins. Das wirkt wie ein Disney-Musical oder eine Folge von "Game of Thrones". Der von ihr gerne gereichte Discopop klingt theatralisch, oft auch kitschig, schlüpfrig, immer ein bisschen frech, überzogen, gerne aufgesext. So hat man die Popmusik schon länger nicht mehr gehört. Chappell Roan macht also in schwierigen Zeiten (Krisen!) einiges richtig – sie liefert Spaß und Leichtigkeit.
Die Pop-Entdeckung der vergangenen Monate lässt ihre Lockenmähne von der Windmaschine verwehen. Einer der ersten (von vielen) Höhepunkten ist "Hot To Go", nicht nur ein Hit auf TikTok. Dazu liefert sie die passende Choreographie für die Fans: Arme hoch, Buchstaben formen: "H-O-T-T-O-G-O". Das ist Gymnastik zur späten Stunde.
Der Auftritt setzt sich neben neuen Songs wie "The Subway" und der Country-Pop-Nummer "The Giver" hauptsächlich aus Liedern ihres Debütalbums "The Rise and Fall of a Midwest Princess" (2023) zusammen. Sie erzählt darin die Geschichte der Selbstfindung. Es gibt die Trennungsballade "Coffee", mit "Kaleidoscope" ein Lied über die Diversität der Liebe, das tolle "Casual" und "Red Wine Supernova". Fehlen darf auch nicht die 2024 veröffentlichte Single "Good Luck, Babe!", ein Hit, in dem sie einer Ex-Liebhaberin hinterhertrauert. Wird schon wieder.

Post Malone. Das Bild stammt von einem anderen Auftritt. Am Frequency waren keine Agentur-Fotografen zugelassen.
Mit Post Malone steht dann der pure Kontrast zu Chappell Roan auf der Bühne. Der US-Superstar sorgte für den Schlussakt auf der Space Stage: Der 1995 als Austin Richard Post in Dallas geborene Musiker sprang nach Anfängen im Hip-Hop, einigen poppigen Ausflügen mit seinem Album "F-1 Trillion" auf den fahrenden Country-Zug auf. Von diesen Country-Nummern hatte er auch bei seinem ersten Auftritt in Österreich einige dabei. Dazu gab es natürlich das passende Outfit, eines mit dem Mann auch in den Stall zu den Kühen gehen kann: Stiefel, kariertes Hemd und dicke Gürtelschnalle. Die Pistole musste der Waffennarr aber zuhause lassen. Seine auffälligen Gesichtstattoos (ein Erbe von wilden Gangsta-Rap-Zeiten) passen zwar überhaupt nicht zu diesem Wilde-West-Redneck-Style, aber so etwas kann man auch nicht einfach wegmachen lassen. Da hilft ihm auch sein vieles Geld nicht. Blöd aber auch.
Bis Freitag werden auf den diversen Bühnen unter anderem Balladensänger Shawn Mendes sowie die beiden Dance-Ikonen Kygo und Felix Jaehn zu hören sein. Für den Abschluss am Freitag hat sich Hollywoodstar und Hip-Hop-Größe Will Smith angesagt. Auch der britische Rapper Central Cee und die Kult-Raver Scooter werden auftreten.
Info in eigener Sache: Im Pop-Zirkus setzt sich zunehmend ein fragwürdiger Trend durch: Pressefotografen müssen ihre Bilder vor Veröffentlichung vom Management absegnen lassen – Pressefreiheit sieht anders aus. Während Fans ungehindert mit dem Smartphone posten, unterschreiben Journalisten Knebelverträge und sind der Willkür von Managern ausgeliefert. Auch das Frequency-Festival macht da keine Ausnahme – von drei Hauptacts am ersten Tag gibt es kein einziges Foto, das wir zeigen dürfen.
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