Strauss-Jahr in Wien wird die 22-Millionen-Subvention "nicht verbrauchen“

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Intendant Roland Geyer über die Probleme der Halle E, sensible Künstlerseelen und Geld, das am Ende übrig bleibt.

Wenn Ihnen heuer mehr Johann Strauss begegnet als sonst, dann hat das einen Grund: Heuer wird der 200. Geburtstag des Walzerkönigs begangen. Nun naht genau dieses Jubiläum (siehe Infokasten unten). Zeit für eine Bestandsaufnahme von „Johann Strauss 2025“, des von Roland Geyer geleiteten Jubiläumsprogrammes.

KURIER: Hand aufs Herz, werden Sie nach Ende des Strauss-Jahres weiter Strauss hören oder haben Sie genug von Strauss?

Roland Geyer: Eine schwere Frage. Strauss ist nicht mein Lieblingskomponist schlechthin. Aber wenn ich mich mit einer Sache beschäftige, sauge ich alle recherchierten Details wie ein Schwamm auf. Und je mehr man weiß, desto mehr kann man die schönen Seiten auch selbst genießen. Und die Teile, die einem weniger gefallen, schiebt man auf die Seite. Ich habe ihn nicht lieber als vorher, aber ich weiß nun mehr, was an ihm toll ist. Also die Antwort ist. Ja und nein (lacht).

Jetzt steht das große Finale an, das wirkliche Jubiläum. Was kann man nach zehn Monaten Strauss-Jahr da noch von ihm Neues zeigen?

Es gibt am 25. Oktober einen klassischen Klimax „Strauss pur“, mit Wiener Philharmonikern, Wiener Symphonikern und einer Feierstunde im Rathaus. Danach gibt es noch rund 10 neue Produktionen, bei denen wir mit Partnern gearbeitet haben, etwa „Flederstrauss“ am 25. November im Odeon oder Imperial Ball mit dem Ballett der Oper Genf. Wenn man von unserer großen Subvention redet, muss man sagen: Etwa ein Viertel der Subvention ist direkt in andere Institutionen geflossen, von der großen Staatsoper bis zur Off-Szene. Wir haben ermöglicht, dass heuer viele Kulturinstitutionen Sachen nur aufgrund unserer Hilfe machen konnten. Einige haben sich Strauss ganz klassisch genähert – viele ihn nur als Katalysator verwendet, um Projekte auch mit neuen Kompositionen umzusetzen. Ein großes Projekt, das noch kommt, ist die Uraufführung der KI-„Walzersymphonie“ in Zusammenarbeit mit der Ars Electronica. Teile davon waren in Linz schon im Dom von 2.500 Besuchern zu hören. In Wien kommt das in die Halle E, was eine Challenge wird.

Warum? 

Die Halle E hat eine schwierige Akustik. Sie ist auch eine Location, wo das Publikum nicht hinströmen will. Zwei große Projekte von uns – der „Zigeunerbaron“ und der „Waldmeister“ – haben in der Halle E nicht funktioniert. Ich mache mir Sorgen, was in Zukunft mit der Halle E passieren wird. Die Menschen flanieren gerne im MuseumsQuartier, aber gehen ungern dort hinein. Und für die Größe fehlt es diesem Ort an Charme, und das Publikum ist extrem zögerlich.

Diese Zögerlichkeit war aber auch bei „Cagliostro“ zu merken, oder?

Am Anfang wussten die Menschen nicht, was das genau wird. Da nehme ich mich selbst auch in die Verantwortung. Meine Idee war nie, dass es die Operette „Cagliostro in Wien“ sein soll, oder wie beim „Zigeunerbaron“ eine Übermalung. Es gab nie die Idee, die „Cagliostro“-Musik zu verwenden. Die Menschen haben aber gegoogelt, was diese „Cagliostro“-Operette eigentlich ist. Ohne zu bemerken, dass wir einen ganz anderen Inhalt anbieten! In den ersten Tagen waren wir nur zu 90 % ausgelastet. Aber dann fing die Mundpropaganda an – und war hervorragend. Die letzten zehn Vorstellungen waren alle ausverkauft, inklusive der Zusatzvorstellung.

Die Kritiken waren nicht so toll. Und der KURIER hatte berichtet, dass es bei der Produktion im Vorfeld wohl ordentlich gekracht hat. Was ist da passiert?

Es gab hier kein Vorbild, wie man eine Operette im Zirkus produzieren soll. Es war klar, dass das eine Herausforderung wird. Und es war für mich klar, dass die Story leicht und knapp und fürs breite Publikum erzählt sein soll. Wir haben keinen „Hamlet“ in Auftrag gegeben, sondern eine Geschichte über die magische Figur Cagliostro. Das wurde dann angeprangert. Und da kam es dann zu Meinungsverschiedenheiten.

Wie haben Sie auf die reagiert?

Ich habe schon so viel erfolgreich produziert, dass mir klar war: Ich muss meinen Weg gehen. Das habe ich dann durchgezogen, durchziehen müssen, denn die Komposition hat sich extrem verzögert. Wenn man dann als Produzent entsprechend nachdrückt, dann ist die eine oder andere sensible Künstlerseele irritiert. Aber es gab keine größeren Spannungen als in anderen schwierigen Produktionen. Und das Ergebnis gibt mir recht – es hat den Leuten gefallen, und wir hatten final rund 23.000 Besucherinnen.

Hat denen der Rest vom Strauss-Jahr gefallen? Wie war denn die Auslastung?

Wir haben bis jetzt schon mehr als 50.000 Tickets verkauft. Und mehr als eine Viertelmillion Eintritte für alle Veranstaltungen verzeichnet. Ein kulturpolitischer Wunsch war ja auch viele Veranstaltungen bei freiem Eintritt zu konzipieren. Ein Highlight dabei war Camo & Crooked und die Wiener Symphoniker am Donauinselfest vor 80.000 Menschen. Aber auch vieles andere hat sehr gut funktioniert.

Wie viel Strauss war denn insgesamt drin?

Es war nie der Anspruch, die Werke Strauss“ rauf und runter zu spielen. Dieser Vorwurf – was hat das mit Strauss zu tun? – ist völlig sinnlos. Es war genug Strauss zu erleben, wenn man genau hinhörte. Mein Anspruch war, den Johann Strauss unter dem Motto „Freuet euch des Lebens“ wie ein Teesackerl ins Wasser zu legen – und damit das Wasser in eine bestimmte Richtung zu färben. Es sollte möglichst breit sein, und man sollte merken, wie schön unser heutiges Wien auch sein kann, in einer gar nicht leichten Zeit.

Auftraggeber war ja die Stadt Wien – wie ist es denn dort angekommen?

Ich hatte zuletzt gar keine Zeit, da groß nachzufragen. Mit dem Bürgermeister und der Kulturstadträtin habe ich oft gesprochen. Da kann ich sagen: Man ist prinzipiell sehr zufrieden damit, dass das Strauss-Jahr alle Kulturbereiche und alle Bezirke im Fokus hatte. Und dass viele Institutionen die Möglichkeit hatten, zeitgenössische Projekte umzusetzen.

Die Kulturstadträtin hat uns im KURIER gesagt, dass sie im Rückblick angesichts der finanziellen Lage das Strauss-Jahr nicht mehr so üppig ausgestattet hätte.

Die Entscheidung über das Budget ist 2021 gefallen, bevor man mich überhaupt gefragt hat, ob ich mich dafür interessieren würde. Ich habe also nicht darum gebeten! Und meines Wissens gab es noch nie ein Festival in Wien, das die Subvention, die man ihm zugesprochen hat, nicht ausschöpft. Ich werde die 22 Millionen – trotz insgesamt 70 Produktionen an 360 Spieltagen – nicht verbrauchen. Wir haben sehr sparsam gewirtschaftet und mit „Cagliostro“ viel eingenommen. Wir werden am Schluss einen erklecklichen Betrag übrig haben, der an die Stadt zurückgeht.

Wie viel wird das? 

Das kann ich noch nicht genau sagen, es sind ja noch fast drei Monate. Wir reden aber nicht von ein paar Tausend Euro.

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