Zuviel gewollt: Zirkus um Strauss bei "Cagliostro"

Ein Genre-Mix aus Musiktheater und Manege, aus Operette und Akrobatik sollte die größte Produktion des Festjahres Johann Strauss 2025 Wien werden. Ein Theaterzirkusmusicalartistenspektakel-Crossover für die ganze Familie (ab 8 Jahre) nach der 1875 uraufgeführten Operette „Cagliostro in Wien“. Strauss pur ist hochqualitative Unterhaltungsmusik. Strauss am Heumarkt ist vor allem ein Experiment: ein von Johnny Bertl arrangiertes, an die Strauss-Hits mit Wiedererkennungswert angelehntes Pop-Potpourri. Da mag der Klassik-Spezialist das Genie in homöopathischen Dosen vielleicht heraushören. Und der Klassik-Purist wird sicher verzweifeln.

Aber der Normalo-Musikkonsument nimmt vielmehr in einer Art zeitgeistiger Schlagerparade, wenn nicht sogar -parodie, den Sound einer allerweillustigen Spaßgesellschaft wahr, assoziiert damit vielleicht einen Kirtag mit burgenländischen Weinprinzessinen und landet nach Falco-Zitaten am Ende in der akustischen Anmutung des Musikantenstadl.
Insofern wäre Bertls Ansage, „Strauss wird kein Haar gekrümmt“ nur zutreffend, hätte dieser eine Glatze gehabt.

Schon die „Cagliostro“-Premiere in der Regie von Hans Gratzer zur Wiedereröffnung des Ronacher 1986 war ein künstlerisches und finanzielles Desaster. An der damals u. a. kritisierten dünne Handlung ändert auch die aktuelle von Thomas Brezina textlich aufgebrezelte Version seiner neu erzählten Geschichte mit Love Story rund um die „Figur eines Täuschers und Hochstaplers, dem alle auf den Leim gehen“, nichts.
Bei der mit viel Klamauk und allerlei Kasperliaden garnierten Revue, die schon nach wenigen Minuten beim Publikum den Mitklatsch-Reflex auslöst, wird zwar auch gewalzert und gehüpft im Wechselschritt, aber der Etikettenschwindel ist offensichtlich. Roncalli-Zirkusdirektor Bernhard Paul outete sich vorab als Urenkel eines Strauss-Librettisten, und das ist auch schon (fast) die einzige Verbindung des Abends mit dem Walzerkönig.
Auch die von Regisseur Michael Schachermaier beabsichtigte Verschränkung von ganz unterschiedlichen Kunstformen wie Musiktheater, Tanz, Artistik und Schauspiel im gemeinsamen Mit- und nicht Nebeneinander gelingt kaum.

Hochkarätig die Besetzung: Thomas Borchert in der Titelrolle als geheimnisvoller Manipulator und Demagoge, mit Blick auf das politische Spektrum eine sehr heutige Figur; Eva Maria Marold als alternde, aber eitle und zwiespältige Madame Sophie; Josef Ellers als ihr sympathisch tollpatschiger Sohn Severin punktet im berührenden Duett mit seiner Kindheitsfreundin Emilia (Sophia Gorgi)...
Aber das Match gewinnen haushoch die Clown-Truppe und die Artisten des Circus Roncalli mit Jonglage, Akrobatik am Sprungbrett, am Rad und in der Luft. Zirkus-Enthusiasten haben dabei ihre Freude. Strauss-Connaisseure hingegen sicher nicht. Ein nach der Papierform sicher spannendes Crossover-Projekt. Ein Experiment. Aber zuviel gewollt.
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