"Cagliostro": Von Magiern und Scharlatanen

JOHANN STRAUSS 2025: PG ANL. PREMIERE "CAGLIOSTRO - JOHANN STRAUSS IM ZIRKUSZELT (10.9.)"
Was man in den Gängen des Kulturamtes über die zentrale Produktion des Johann-Strauss-Jahres so hört – am Mittwoch kommt es zur Premiere am Wiener Heumarkt.

Sehr geehrtes Kulturamt!

Ich bin ein großer Liebhaber der Musik von Johann Strauss Sohn und kann bei Neujahrskonzerten fast jeden Walzer mitpfeifen. Deshalb freue ich mich auch so sehr über das intensiv gefeierte Strauss-Jahr in Wien und nun ganz speziell auf die „Cagliostro“-Premiere nächste Woche im Zirkuszelt. Schon jetzt beantrage ich bei Ihnen, da Sie ja offensichtlich auch für Würdigungen zuständig sind, goldene Verdienstkreuze 200. Klasse (passend zum Strauss-Jubiläum) für alle Beteiligten.

Mit einem herzlichen Tusch auf den großen Sohn der Stadt Wien, M. P.

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Sehr geehrter M. P.,

vielen Dank für Ihr Schreiben und für Ihren Antrag, dessen Eingang wir hiermit bestätigen (Geschäftszahl 17/2025). Wir erachten das „Johann-Strauss-Jahr“ unter der Führung von Roland Geyer für so essenziell, dass wir uns dafür sogar eine Sondersitzung des Kulturamtes einzuberufen genötigt sahen.

Die Ergebnisse der Beratungen dürfen zwar, wie beim nationalen Sicherheitsrat, nicht allesamt publik gemacht werden, wir können Ihnen aber bereits jetzt mitteilen, dass die Liebe zu Johann Strauss Sohn auch in unserem Kulturamt stark ausgeprägt ist. Die Sinnhaftigkeit eines derart üppig zelebrierten Jahres erschließt sich jedoch nicht allen.

Strauss sei ohnehin omnipräsent in Wien und in Österreich, es gäbe andere Komponisten, die zu würdigen sinnvoller erschiene, haben wir mehrfach aus der musizierenden Künstlerschaft gehört. Und wenn schon Strauss, dann wären die biografischen Details interessanter, aber davon hat man offenbar Abstand zu nehmen versucht.

Massenhaft

In den Gängen des Kulturamtes hört man auch immer wieder Beschwerden von Beteiligten, dass für einzelne Produktionen nicht ausreichend Budget vorhanden sei. In diesem Zusammenhang wurde bei unserer Sondersitzung die Frage debattiert, warum man dann 65 Produktionen und drei Ausstellungen an 69 Locations geplant habe. Und ob das nicht die Gefahr mit sich bringe, dass Masse vordergründig wichtiger scheine als Qualität und Nachhaltigkeit.

Zu Ihrem Begehr bezüglich der dräuenden Produktion von „Cagliostro“, die uns eine der zentralen des gesamten Jahres zu sein scheint: Wir wagen es noch nicht, darauf beruhende Auszeichnungen zur Genehmigung vorzulegen, weil die finale Beurteilung freilich erst nach Stattfindung erfolgen kann.

In unseren Räumlichkeiten hat sich allerdings schon im Vorfeld leichte Verwunderung und Skepsis ausgebreitet. Zunächst einmal darüber, ob klar genug vermittelt wurde, dass hier eine eigenständige Johann-Strauss-Circus-Revue, basierend auf dessen Operette „Cagliostro in Wien“, kreiert werden sollte. In weiterer Folge über die Aufstellung des Roncalli-Zeltes am Heumarkt und nicht am Wiener Rathausplatz – dem Vernehmen nach war dieser für die ursprünglich für Herbst geplanten Wahlen und dementsprechende Veranstaltungen reserviert.

Klamaukhaft?

Auf den Gängen des Kulturamtes wundert man sich auch darüber, dass der (erst sehr spät engagierte) Compositeur Johnny Bertl nicht selbst am Dirigierpult Aufstellung nehmen wird, und fragt sich, ob seine Musikstücke tatsächlich in jener Form zur Aufführung gelangen werden, wie sie auch geschrieben wurden. Von Thomas Brezina, dem Autor und somit Schöpfer des Werkes, hört man ebenfalls nichts, und man weiß daher nicht, ob seine ursprünglichen Intentionen, ein international relevantes Stück zu schreiben, berücksichtigt wurden – oder ob vieles ohne seine Einbindung zugunsten von Klamauk abgeändert wurde.

Rätselhaft

Überhaupt rätselt man, wie denn das Einvernehmen aller Beteiligten während des Probenprozesses war, ob alle schöpferischen Kräfte von der Führung des Strauss-Jahres ausreichend einbezogen wurden wie sonst bei Uraufführungen üblich – bis zuletzt soll es kaum sogenannte Durchläufe des ganzen Stückes gegeben haben, schon gar nicht öffentliche, wie es etwa am Broadway in New York oder am West End in London gelebte Praxis ist.

Selbstverständlich wünschen wir der Produktion allen erdenklichen Erfolg und dass der Protagonist letztlich ein Magier sei wie bei Brezina und nicht ein Scharlatan wie bei Strauss.

Ihren Antrag, sehr geehrter M. P., lehnen wir aber bis auf Weiteres ab, werden jedoch nicht zögern, darauf zurückzukommen, falls sich die Vorab-Ondits als nicht ausreichend stichhaltig erweisen sollten.

Mit musikalischen Grüßen, gezeichnet, G. K.

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