Museen gehen in den Untergrund

Museen gehen in den Untergrund
Sowohl die Nationalbibliothek als auch die Museen brauchen neue Depots: In Gespräch sind ein Tiefspeicher und ein "Kulturforum".

Eigentlich platzen die Speicher aus allen Nähten, doch im Prunksaal der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB) stehen Regale leer: Im Zuge der Zusammenarbeit mit dem Suchmaschinen-Giganten Google werden derzeit Bände aus den Jahren 1500 bis 1870 ausgeräumt und zum Scannen nach Deutschland gebracht. Laut Direktorin Johanna Rachinger tut das den Büchern gut: "Diese Bücher müssen in Zukunft nicht mehr in die Entlehnung gehen, das heißt, es werden durch Benützung keine Schäden mehr entstehen", sagt sie. "Außerdem nützen wir das Projekt für eine umfangreiche Bestandsrevision, die es in dieser Form seit Jahrzehnten nicht mehr gab." Google hilft der ÖNB auch in ihrer Platznot. Nach bisherigen Berechnungen hätten alle Speicher bereits heuer voll sein sollen. "Wir investieren nun mehr in die Zeitungsdigitalisierung", erklärt Rachinger. "Das gibt uns die Möglichkeit, die alten Zeitungen aus dem bestehenden Tiefspeicher zu schaffen und sie in einem Dachbodenmagazin zwischenzulagern. Das ist zwar konservatorisch nicht ideal, aber wir schaffen uns etwas Luft. Trotzdem brauchen wir den neuen Speicher dringend. Man muss bedenken, dass wir mit einer Bauzeit von mindestens zwei Jahren zu rechnen haben."

Zentrum

Der unter dem Heldenplatz geplante Tiefspeicher der ÖNB schien im 2010 präsentierten Investitions-"Masterplan" von Kulturministerin Schmied nicht auf. Rachinger beharrt dennoch darauf: "Für mich ist und bleibt das die ideale Lösung, weil wir die Bücher täglich brauchen und nur dort eine unmittelbare Anbindung an die Lesesäle haben", sagt sie. "Ein Speicher am Stadtrand würde mittelfristig wesentlich teurer kommen, das bestätigt uns auch eine Nachhaltigkeitsstudie." Im Ministerium (BMUKK) bleibt man hart: Die projektierten Kosten - rund 60 Mio. Euro, bzw. 37 Mio. für eine verkleinerte Version - seien für das Ministerium nicht zu stemmen. Eine Sonderdotation durch das Finanzministerium sei notwendig, heißt es. "Das BMF hat hier nichts zugesagt, weswegen eine Alternativlösung erforderlich ist." Von Rachinger eingeholte Anbote für Miet-Lager wurden noch nicht bewilligt.

Peripherie

Museen gehen in den Untergrund

Mit der Suche nach neuen Depotflächen ist die ÖNB nicht allein. Derzeit baut das Kunsthistorische Museum (KHM) am Wiener Stadtrand um 14 Millionen Euro ein neues Depot. Das Museum nahm für den Bau einen Kredit von acht Mio. Euro auf. Während dieser durch Umschichtungen im KHM-Budget abbezahlt wird, schießt das BMUKK noch 3,5 Mio. Euro für Planung, Übersiedlung und Einrichtung zu.

Louvre in Wien

Doch das KHM und sein Nachbar, das Naturhistorische Museum (NHM), wälzen noch andere Pläne: Sie haben die Idee einer Untertunnelung des Platzes zwischen den beiden Häusern wiederbelebt. Das Vorbild ist dabei der "Caroussel du Louvre" in Paris. "Ich sehe den Bau eines ,Kulturforums' unter dem Maria-Theresien-Platz als die einzige vernünftige Möglichkeit, in direkter Nähe der Museen verschieden zu verwendende neue Flächen zu schaffen", erklärt NHM-Direktor Christian Köberl. Er wünscht sich neben Depots auch Restaurants, Vortragsräume und einen gemeinsamen Zugang zu NHM, KHM und MuseumsQuartier. Anfang 2012 soll ein Plan von Architekt Manfred Wehdorn den zuständigen Gremien vorliegen, sagt KHM-Chefin Sabine Haag. Zuvor wird ÖNB-Direktorin Rachinger auf den Speicher am Heldenplatz pochen, denn ihr Haus ist per Gesetz zum Sammeln verpflichtet. "Die Frage ist: Soll die ÖNB weitersammeln oder nicht?", sagt sie. "Man muss auf jeden Fall eine Entscheidung treffen."

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