Dass das gute Gründe hat, zeigen sie in Wiener Neustadt von Anfang an. Los geht es mit dem Titelsong des jüngsten Albums „Will Of The People“. Wie die Akteure im Video zu diesem Song haben die Musiker dafür Kapuzenjacken an und verstecken die Gesichter hinter metallischen Masken. Das dämpft zwar ein bisschen die Stimme von Sänger, Gitarrist und Hauptsongwriter Matt Bellamy, dass er, Bassist Chris Wolstenholme und Drummer Dominic Howard aber immer noch mit der gleichen Spielfreude und Energie losrocken wie vor der Pandemie, ist gleich zu hören.
Maskottchen
Bekannt sind Muse aber auch für opulente Shows. Das kommt in Wiener Neustadt aber erst später. Die drei haben Masken und Kapuzen abgelegt und konzentrieren sich mit Hits wie „Hysteria“ und „Psycho“ erst einmal auf die Musik. Howard liefert dynamische und variantenreiche Beats, Wolstenholme und Bellamy rennen von einer Bühnenecke zur anderen und immer wieder über den Steg nach vorne auf die kleine Zweitbühne in der Mitte des Stadions.
Und dann ist er auch schon da, der „big guy“, wie Bellamy die aufblasbare Monster-Figur nennt. Auf der vorigen Tour hatten sie ihn erstmals dabei. Und weil er eine Art Maskottchen geworden ist, ist er auch heuer mit auf Tour. Diesmal aber nicht als Humanoid, sondern den Themen des neuen Albums entsprechen als Revoluzzer.
Immer schon hat Bellamy gerne über Verschwörungstheorien, dystopische Zukunftsvisionen, Freiheit und Revolution geschrieben, diese Storys bis jetzt aber zumeist im Sci-Fi-Kosmos angesiedelt. Das unter dem Eindruck der Pandemie entstandene „Will Of The People“ handelt allerdings von realeren Bedrohungen, von autoritären Strukturen und dem Klimawandel, den der in Los Angeles lebende Brite mit Waldbränden hautnah mitbekommen hat.
Big Brother
Deshalb ist der „big guy“ heuer der hinter Metallmaske und Kapuze versteckte Revoluzzer, den Muse zu Beginn selbst darstellten. Er dominiert ab dem fünften Song den Bühnenhintergrund, dreht den Kopf von links nach rechts und wirkt wie ein bedrohlicher Big Brother.
Später werden Bilder von Wasser oder die Regenbogenfarben auf seine Maske projiziert. In einem Zwischenspiel einmal sogar Bellamys singendes Gesicht.
Das ist vielleicht das einzige Manko der Show: Es gibt viele Interludes mit Videoeinspielungen, bei denen die Musiker von der Bühne gehen und Bellamy die Jacke wechselt. Dann entstehen zu lange Pausen, die die Stimmung ein wenig bremsen.
Allerdings bringen Bellamy und seine Freunde sie schnell wieder auf den Siedepunkt. Zum Beispiel mit Hits wie „Undisclosed Desires“ und „Madness“, aber auch mit einer Virtuosität an den Instrumenten.
Dabei brilliert vor allem Bellamy. Zwischendurch spielt er auch Klavier und Keyboards. Bei „Behold, The Glove“ aus seiner Solo-EP „Cryosleep“ auch ein kleines, das auf einem Handschuh montiert ist. Aber unschlagbar ist er an der Gitarre und beim Singen. Seine Arien-Stimme klingt heute sogar noch kräftiger und glanzvoller als noch bei der vorigen Tour im Jahr 2019, als Muse in Graz auftraten.
Das Trio kann aber auch mit der Vielfalt seiner Soundpalette faszinieren. Immer wieder gibt es Passagen, die an Klassik erinnern, einmal ist sogar kurze Version von Bachs „Toccata“ zu hören. Es gibt Elegisches wie die Ballade „Verona“ und rabiaten Rock bei „Kill Or Be Killed“.
Klar, dass danach der letzte Teil der Show mit Fan-Favoriten wie „Uprising“ und „Starlight“ zu einem umjubelten Triumphzug wird, mit dem Muse ihren Ruf als hervorragende Live-Band weiter einzementieren.
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