Multimedia-Projekt von Marco Kleebauer: Familien-Dynamik und Bio-Drums
Viele Tage lang waren für das österreichische Pop-Wunder Marco Kleebauer im Corona-Jahr 2020 nicht Instrumente und ein Tonstudio das Vehikel für die Emotionen, sondern ein Skizzenbuch, Zeichenstifte und Pinsel.
„Ich hatte, wie jeder andere auch, ein intensives Jahr“, erzählt das Allroundtalent im KURIER-Interview. „Bei mir ist aber mit einem schweren Unfall in der Familie noch viel Persönliches dazugekommen. Da bin ich aufgewacht und hatte so viele negative Gedanken, was ich von mir sonst nicht kenne. Deshalb habe ich begonnen, gleich nach dem Aufstehen in ein Skizzenbuch zu zeichnen, wie es mir geht.“
Dieses Buch hat Kleebauer jetzt vervielfältigen lassen und mit einer Vinyl-Schallplatte, auf der zu den Zeichnungen kreierte Soundflächen zu hören sind, zum Multimedia-Projekt „Twentyfour Sad Faces“ komplettiert.
Am Freitag wird das Buch im Rahmen einer Ausstellung in der HFA-Galerie in der Burggasse präsentiert. Zu sehen sind das Originalbuch und ausgewählte Drucke der Zeichnungen. Begleitet wird die Ausstellung von einer experimentellen Klanginstallation für die Kleebauer einen „Bio-Drumcomputer“ gebaut hat.
Intimes Setting
Gedacht ist das Projekt eigentlich dafür, dass man sich zu Hause alleine das Buch anschaut und dazu die Musik hört, weil Kleebauer überzeugt ist, dass sich die beiden in so einem intimen Setting am besten ergänzen. „Das ist aber in der Galerie nicht möglich. Ich wollte dort aber auch nichts Elektronisches einspielen, sondern ein Gerät haben, das man sieht und versteht, woher der Klang kommt. Deshalb habe ich einen Plattenspieler genommen, der keine Nadel mehr hat. Stattdessen ist etwas auf der Drehscheibe, das beim Drehen Objekte berührt, die um den Plattenspieler aufgestellt sind. Das macht dann rhythmische Geräusche.“
In den Zeichnungen selbst arbeitet Kleebauer häufig mit Schriften und bringt dabei auch viel Sozialkritik zu Papier. „Dabei schwingt aber viel zynischer Humor mit“, sagt er. „Es soll sozialkritisch sein, aber auch leicht und lustig. Warum ich da viel mit Schrift gearbeitet habe, weiß ich gar nicht. Das kommt einfach so raus.“
Ein Thema, das bei der Rückbesinnung auf die bildnerische Kreativität („Ich habe als Kind oft gezeichnet, aber dann 15 Jahre nicht mehr“) auch sehr präsent war, war Familiendynamik.
Gewalt gegen Frauen
„Es gibt einige gewaltvolle Szenen, was Frauen betrifft. Auch bevor die Sache mit den Femiziden in den Medien so präsent war, hat mich das schon beschäftigt. Vielleicht, weil so viele Freunde von mir Kinder bekommen haben, und ich mich gefragt habe, was es heißt, jemanden zu lieben und sich für die Familie aufzugeben. Und ich habe mich gefragt, wie dann daraus eine komische Familien-Dynamik entsteht, durch die es – vielleicht nicht zu physischer – aber vielleicht zu verbaler Gewalt kommt. Ich finde faszinierend, wie Leute, die im sozialen Kontext super funktionieren, zu Hause in ein primitives Triebverhalten kippen können, sodass moralische Grenzen verschwimmen.“
Ein Bild, das klar der Pandemie geschuldet ist, zeigt zwei Menschen, die aneinander vorbei greifen. „Mir ist erst durch Corona klar geworden, wie wichtig Intimität mit Freunden, dass man sich zum Beispiel umarmt, für mich ist. Ich bin ein Mensch, der eher distanziert ist. Da war die Diskrepanz, zu merken, wie sehr ich soziale Interaktion trotzdem brauche, noch viel größer.“
Aber Kleebauer hat 2020 nicht nur an „Twentyfour Sad Faces“ gearbeitet. Er hat für die Organisation „Musiker ohne Grenzen“, die sozial benachteiligten Kindern Musikschul-Unterricht ermöglicht, die „Drum Break Library“ zusammengestellt. Dort können sich Musiker gegen eine Spende für die Organisation Kleebauer-Beats kaufen und damit Musik machen.
Er hat eine EP für die Band Oehl produziert und eine weitere mit seiner Leyya-Partnerin Sophie Lindinger aufgenommen. „Longest Day Of My Life“ wird sie heißen und Ende August erscheinen. Auch sie, glaubt Kleebauer, spiegelt die melancholische Stimmung seiner Zeichnungen wieder. „Wir haben die Musik in der Zeit geschrieben, in der das Buch entstand. Ich kenne Sophie seit zwölf Jahren. Sie weiß, wie es mir geht, und das schlägt sich sicher auch in ihren Texten nieder.“
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