Neue Texte
Soweit Mozart und sein Librettist Johann Gottlieb Stephanie. Doch wie kann man jeden Anflug von Orientalismus vermeiden? Erpulat beauftragte den türkischen Autor Sulaiman Masomi mit einer neuen Textfassung, die sämtlichen Klischees widersprechen soll, sich zugleich aber in neuen verfängt.
So darf Blonde etwa ein feuriges Plädoyer für das Matriarchat halten und dabei gegen männliches Streben nach Macht und Ruhm aufbegehren. Pedrillo und Osmin wiederum diskutieren im Alkoholdunst über Demokratie und Kulturaustausch, wobei am Schluss eh die Chinesen an allem Unglück schuld sind.
Und der Bassa bricht am Ende gar die vierte Wand. Da nämlich sinniert der exzellente Schauspieler Murat Seven über seine eigene Karriere vor der Kamera. Aber auch Sklavenhandel, der Kolonialismus, der Irakkrieg sowie Guantanamo, Atomwaffen, Flüchtlingskatastrophen und Frontex kommen vor. Das ist dann gar ein bisschen viel.
Bühnenbildnerin Magda Willi hat dafür ein graues Einheitsbühnenbild entworfen, das nur im zweiten Akt von einer riesigen Vulva-Feige dominiert wird. Die Kostüme von Aleksandra Kica operieren mit dunklen Farben. Optisch in sich stimmig ist das Ganze aber dennoch.
Vor allem dank der musikalischen Seite. So ist Bassist Stefan Cerny ein vokal fabelhafter Osmin, so gibt Rebecca Nelsen eine tolle, koloratursichere Konstanze. Hedwig Ritters Blonde hingegen klingt oft allzu schrill. Daniel Kluge gibt einen tadellosen, auch zum Slapstick angehaltenen Pedrillo. Als Belmonte hat es Timothy Fallon mit seinem eher eng geführten Tenor schwer, Liebhaberglanz zu versprühen. Sicher agiert der hier mit Maschinenpistolen und Totenmasken bewaffnete Chor – der Bassa hält sich eine Soldateska – in der Einstudierung von Roger Díaz-Cajamarca.
Eine pure Freude ist Dirigent Alfred Eschwé am Pult des sehr guten Orchesters. Eschwé, der für einen Kollegen (man hört intern, das Orchester hätte diesen abgelehnt) eingesprungen ist, sorgt für feinsten Mozart-Klang. Viel Applaus und vereinzelte Buhs für die Regie.
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