"Moonage Daydream" im Kino: Eine David Bowie-Doku der anderen Art

"Moonage Daydream" im Kino: Eine David Bowie-Doku der anderen Art
Der erste von David Bowies Nachlassverwaltern genehmigte Film basiert ausschließlich auf Interviews mit dem Musikgenie.

„Weder einen Dokumentarfilm noch eine Biografie, sondern ein eindringliches Erlebnis“ wollte Regisseur Brett Morgen mit seinem derzeit im Kino laufenden David-Bowie-Film „Moonage Daydream“ erschaffen. Es gibt keinen Kommentar, ausschließlich David Bowie selbst erzählt seine Geschichte. Denn Morgen erhielt für diesen ersten offiziell von Bowies Nachlassverwaltern genehmigten Film uneingeschränkten Zugang zum umfangreichen Archiv des Ausnahmekünstlers.

In den hervorragend zusammengestellten Interview-Passagen sind deshalb Ausschnitte von TV-Sendungen der 70er-Jahre zu sehen und noch weit mehr sehr persönliche Gespräche des 2016 verstorbenen Musikgenies mit Radio-Journalisten zu hören. In der Gesamtheit porträtiert das David Bowie nicht nur als unermüdlich Neues ausprobierenden Allround-Künstler, sondern auch als feinsinnigen Suchenden, der sich viele Gedanken über seine Umwelt, Philosophien, Religionen und den Sinn der Kunst und des Lebens machte.

„Ich finde, dass man mit dem Film Davids Leben nicht nur beschrieben bekommt, sondern erfahren kann“, sagt Paul Massey, der Ton-Techniker von „Moonage Daydream“, im KURIER-Interview. „Man kann spüren, was Bowie in den unterschiedlichen Phasen seiner Karriere erlebt und seelisch durchgemacht hat, weil man ausschließlich seine Stimme und seine Worte hört.“

Massey war schon maßgeblich am Sound von Musikfilmen wie „Walk The Line“ (Johnny Cash) und „This Is It“ (Michael Jackson) beteiligt. Für seine Arbeit für den Queen-Film „Bohemian Rhapsody“ gewann er 2019 sogar einen Oscar.

Er kam beim „Moonage Daydream“-Projekt an Bord, nach dem sich Morgen schon zwei Jahre lang durch das Material im Bowie-Archiv gewühlt hatte, Filme, Videos und Davids schriftliche Aufzeichnungen zu den diversen Projekten gesichtet, und das Konzept entwickelt hatte, die Interview-Passagen den Themenkreisen Spiritualität, Sterblichkeit, Kreativität und das Altern zuzuordnen.

"Moonage Daydream" im Kino: Eine David Bowie-Doku der anderen Art

Paul Massey

"Ich war verantwortlich für die Musikabmischung“, erzählt Massey. „Auch mir kam der uneingeschränkte Zugang zum Archiv zu Gute. Denn Davids langjähriger Produzent Tony Visconti schickte uns die Original-Aufnahmen der Songs mit all den einzelnen Spuren wie Schlagzeug, Gitarre oder Gesang. Die Herausforderung dabei war, die ganz alten Aufnahmen genauso gut klingen zu lassen, wie die jüngeren, die mit weit ausgereifterer Technik aufgenommen wurden. Aber noch schwieriger war das bei den Interviews. Da gab es so viele Hintergrundgeräusche. Bei manchen alten TV-Interviews hörte man das Quietschen der Räder der Kameras.“

Massey war aber auch für die nicht selten vorkommenden Mash-Ups von diversen Bowie-Songs verantwortlich. „Welcher Song über welchen gelegt wurde, hat Brett bestimmt. Wir haben da nur sehr viel darüber diskutiert, wann ein Song dem anderen überblendet wird, damit das nahtlos zusammenpasst. Überhaupt ist das Sounddesign so, dass alles ineinander übergeht und viele Schichten von Musik und Effekten übereinander liegen, die oftmals auch gar keinen Bezug zu den Bildern haben. Brett wollte, dass der Sound der Film ist – so aufregend wie eine Hochschaubahnfahrt.“

Das ist aber auch der Punkt, wo „Moonage Daydream“ im Bestreben, Bowie zu porträtieren, Schwächen hat. Denn die schrille, collageartige Bildsprache, die niemals chronologisch und auch nicht immer thematisch passend unter Davids Stimme liegt, macht sich mit ihrer Schnelligkeit und den psychedelischen Farbenexplosionen oft so wichtig, dass die Inhalte der Interviews in den Hintergrund gedrängt werden.

Außerdem konzentriert sich Morgen fast ausschließlich auf die Zeit vor Bowies Hochzeit mit Iman, obwohl der Musiker danach mit den Alben „Blackstar“, „The Buddha Of Suburbia“, „Outside“, „Earthling“ und „Heathen“  viele weitere Meisterwerke abgeliefert  hat. 

Ein Muss für alle Bowie-Fans ist „Moonage Daydream“ trotzdem. Und wer sich  das 134-Minuten-Epos ein zweites Mal ansieht, wird dann auch nicht mehr von der Bilderflut überrollt werden und kann sich ganz auf die einzigartigen Aussagen und die Stimme jenes Mannes konzentrieren, der so Viele und so vieles bewegt hat und viel zu früh verstummt ist.

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