Monet: Der das Licht auf die Leinwand bringt

Monet: Der das Licht auf die Leinwand bringt
"Claude Monet. Die Welt im Fluss" (bis 6. Jänner), eine große Retrospektive in der Albertina

Sein bekanntestes Motiv: Seerosen in allen erdenklichen Variationen. Zugleich der Beginn eines beeindruckenden Alterswerks, bei dem Claude Monet seine Umgebung in schon ziemlich abstrakte Farbgewitter übersetzte.

Zum Werbeplakatsujet wurde das Gemälde „Junge Mädchen in einem Boot“ von 1887, das aus Tokio kommt.

Und eine Leihgabe des Moskauer Puschkin Museum ist der „Boulevard des Capucines“ (1873), eine extreme Perspektive von oben auf das belebteste Geschäftsviertel von Paris, die das Getümmel der Großstadt, das Flirren und die Bewegung der Metropole einfängt.

Auf Effekt bedacht

Mit 100 Meisterwerken, darunter zahlreiche Preziosen wie Ansichten der Kathedrale von Rouen oder frühen Winterbildern, darunter das Porträt „Madame Monet mit rotem Kopftuch“ (1873), ist die Retrospektive des populärsten Malers des Impressionismus in der AlbertinaClaude Monet. Die Welt im Fluss“ (bis 6. Jänner) bestückt.

Wobei sich sofort Assoziationen an die japanische Druckgrafik – bekannt unter dem Genre-Begriff Ukiyo-e (etwa „Bilder der fließenden Welt“) – aufdrängen, und Monet eine große Sammlung japanischer Holzschnitte besaß.

Von Heinz Widauer kuratiert und streng chronologisch angeordnet, spannt die Schau den großen Bogen von den vorimpressionistischen Arbeiten wie dem aus Den Haag geliehenen „Quai du Louvre“ (1867) mit noch realistischen Details über ein Bild der „Heuschober“-Serie von 1890/’91, aus der vor zwei Jahren bei Christie’s ein Gemälde um mehr als 75 Millionen Euro versteigert wurde, bis zu den letzten Werken, die in seinem Garten in Giverny entstanden sind.

Monet 1895: „Ich verfolge einen Traum – ich will das Unmögliche ... Ich will diese Luft, in der sich die Brücke und das Haus und das Boot befinden, malen – diese Schönheit von Licht, in welchem sie sind ...“

Er, der das Licht auf die Leinwand bringt, beschränkt sich vor allem in den späten Jahren auf wenige Motive und malt diese – oft in Serie – immer wieder zu verschiedenen Tages- und Jahreszeiten.

Die Bilder scheinen von selbst zu leuchten. Manches löst sich im Gegenlicht auf. Und kein Bild gleicht dem anderen. „Monets Kunst war einflussreich. Und sie hat vor allem unsere Art des Sehens, unsere Wahrnehmung verändert“, sagt Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder.

Durch Monet, der Schwarz völlig aus seiner Palette verbannt hatte, sehen wir Luft und Licht atmosphärisch ganz anders. Denn die Ästhetik des Franzosen, seine Behandlung von Spiegelung und Schatten, von Schärfe und Unschärfe im Bild verhilft erst der Wahrnehmung selbst zu ihrem Recht.

Die Natur im Bild

Was 500 Jahre lang Kunstverständnis war, gilt für Monet nicht mehr. Er löst sich vom Gegenstand. Land, Wasser und Luft verschmelzen bei ihm zu ätherischen Farbmassen. Er blickt nicht zurück, ist ganz im Hier und Jetzt seiner Gegenwart, konzentriert sich mit Neugier zunächst auf das Zeitgenössische, das die Zeitgenossen als nicht bildwürdig gering schätzen: die pulsierende Großstadt oder eine Eisenbahn im Schnee.

Faszinierend sein Bild vom Eisstoß auf der Seine im Katastrophenwinter 1879/ 80, „wo wir sehen, wie vielfarbig Schnee sein kann“, so Schröder mit einem Querverweis auf Caspar David Friedrich. „Bei Monet ist das Eis olivgrün, bräunlich sind Schnee und Wasser.“

Auch auf anderen Winterbildern findet sich nur wenig Weiß, mehr ein helles und dunkles Blau und Rosa. Als gelte es zu beweisen: Der Schatten ist farbig. Der Schnee hat Farbe.

Er stellt alles dar, wie er es empfindet und gelangt, so Schröder, an „die Kante zur abstrakten Malerei“. In den letzten Jahren, als sich Monet weigert, Bilder zu verkaufen, wohl so auch Kontroversen vermeidet, die seine Radikalität in der Kunstwelt provoziert hätte, spielte Rot als komplementärer Kontrast zu Grün eine wichtige Rolle.

Um 1915 hatte er Rot noch in vielfältigen Abstufungen und Schattierungen bis zu Violett eingesetzt. Am Ende ist Rot stets auch ungemischt auf der Leinwand zu sehen, wobei die Kontraste gesteigert erscheinen.

Besonders berührend sind die Arbeiten der letzten sechs Lebensjahre, die erst lange nach Monets Tod 1926 bekannt geworden sind.

Was dunkler und düsterer als zuvor wirkt, ist für Schröder „vergleichbar mit dem Spätwerk Beethovens, als der taube Komponist plötzlich völlig neue Klangwelten zustande bringt, indem er die inneren Töne zu Papier bringt“.

Ähnlich bei Monet: Seine Bildkompositionen weisen schon in die nächste Epoche der Kunstgeschichte, in den abstrakten Expressionismus eines Jackson Pollock, Mark Rothko, Barnett Newman oder einer Joan Mitchell.

Die exzessiv-expressive Farbigkeit im Spätwerk sei nur zum Teil auf die Fehlsichtigkeit des am grauem Star leidenden Malers zurückzuführen, sagen die Kunsthistoriker. Sie sei vielmehr Ausdruck eines Künstlers, der auch im hohen Alter noch so wach und kreativ wie eh und je gewesen ist.

Oder anders ausgedrückt von Schröder: „Ein Bild ist vor allem Pigment auf einer Leinwand und nicht die Wiedergabe eines Motivs. Ein Bild ist ein Bild – und nicht das, was es darstellt.“

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