Moby Dick, ungebügelt

Holzschnitt aus dem Buch (Ausschnitt)
Neuausgabe: Näher am Chaos des amerikanischen Klassikers.

Wie übersetzt man das?

"Speak-e! tell-ee me whoo-ee be, or dam-me, I kill-e!"

In den vielen deutschen Ausgaben von "Moby-Dick" hieß es dann: "Du sprechen, du mir sagen, wer du sein ..!"

Oder man bekam zu lesen: "Wer, Teufel, du sein? Du Mund halten, ’dammt, sonst toter Mann."

Dann kam der Literaturwissenschaftler Friedhelm Rathjen, der Herman Melville eben NICHT "in Ordnung" gebracht hat, und er hat – das sind seine eigenen Worte – die vorgegebene ie-Lastigkeit beim polynesischem Harpunier Queequeg in eine geschmeidig zu handhabende Redeweise zu überführen versucht.

Nämlich: "Sprech-ier! zähl-ier mir weer-dir bist, oder damm-mir, ich mord-dir!" Da hat das deutsche Feuilleton aber schön geschaut, vor zehn Jahren war’s.

Vom Gesicht weg

Rathjens Übersetzung erschien damals in keinem großen deutschen Verlag ... und jetzt kehrt sie wieder, zusammen mit den Holzschnitten Raymond Bishops aus den 1930er Jahren, und man ist erfreut, weil sich "Moby-Dick" mit diesem Prachtband wieder ein Stück weg entfernt vom Gesicht Gregory Pecks, der den fanatischen Kapitän Ahab spielte, sowie vom Ruf, ein Abenteuerroman zu sein, wie es Melvilles Seefahrergeschichten zuvor gewesen sind.

Ist er ja eh, aber nicht nur einer, in dem ein böser Mann die Natur besiegen will, was halt unmöglich ist.

Sondern auch das Abenteuer einer wild gewordenen Sprache, in der nichts zusammenzupassen scheint und sich Satzmonster durch die Wellen kämpfen.

Damit konnte man zunächst wenig anfangen: In Amerika waren nach der Erstveröffentlichung 1851 nur 2000 Exemplare verkauft worden, in England waren es 280.

Friedhelm Rathjen bekommt in der Neuausgabe Gelegenheit, sich gegen Kritik zu wehren, wonach sich bei seiner Übersetzung die Leser wie auf einem unaufgeräumten Schiffsdeck fühlen.

Die Produkte der Kollegen seien "angenehmer".

Nicht besser sein

Der 57-Jährige erklärt im Anhang, wie er seine Arbeit versteht (und ist damit in Opposition zu den Modernisieren und Lebendig-Machern):

Einzige Richtschnur sei es, den "Zustand" des Originaltextes so getreu wie möglich zu übersetzen.

Daraus ergibt sich, dass der Übersetzer keine eigene Sprache haben darf.

Hört man, eine Übersetzung sei besser als das Original, dann habe der Übersetzer versagt, denn er soll nichts "verbessern".

Auch wenn es das Lesen erschwert: Rathjen bügelt nicht. Er mäßigt nicht. Dass Kapitän Ahab auf seinem Feldzug seltsamerweise zwischen Slang und Shakespeare-Duktus hin und herspringt, bleibt schon deshalb bestehen, weil Menschen mehrstimmig sind ... und "Moby Dick" kein Ganzes ist, sondern großes literarisches Wirrnis.

Herman Melville: "Moby Dick; oder: Der Wal" Übersetzt von Friedhelm Rathjen. Nachwort von Alexander Pechmann. Jung und Jung Verlag. 932 Seiten. 45 Euro.

KURIER-Wertung: *****

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