Mit der Bitte um mehr Respekt

APA1750996-2 - 18012010 - WIEN - ÖSTERREICH: ZU APA-TEXT KI - Der Autor Peter Henisch am Montag, 18. Jänner 2010, während einer Feierstunde anlässlich seiner Auszeichnung mit dem "Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien" in Wien. APA-FOTO: ROLAND SCHLAGER
Ende August wird der Schriftsteller 70. Im Hafen ist er noch nicht angekommen.

Gratulieren darf man Peter Henisch noch nicht. Er ist abergläubisch.

Erst am 27. August wird er 70. Dann darf man; aber schnell, denn gleich eilt der Wiener wieder in die geliebte Toskana nach San Quirico. Dort liest er bei einem Musikfestivals erstmals aus dem neuen RomanMortimer & Miss Molly“.

Uncool

Henisch ist einer der wenigen starken Erzähler im Land. Ein Stilist der Einfachheit. Ein schreibender Komponist. Ein menschenfreundlicher Autor.

Erfreulich „uncool“ waren seine Bücher schon, als das Wort in Österreich noch gar nicht verwendet wurde.

Eine Entdeckung war er, als er 1972 den philosophierenden Sandler „Baronkarl“ verewigt hatte, einen Diogenes aus Wien-Favoriten.

Und eine eigene Marke mit bisher rund 30 Romanen, seit er 1975 „die kleine Figur meines Vaters“ porträtierte: eines der ersten „Väterbücher“ überhaupt, am Bett des sterbenden Walter Henisch, Kriegsfotograf und Bildreporter der Arbeiter-Zeitung.

Wie fing alles an? Mit einem vierzeiligen Gedicht, da war Peter Henisch vier oder fünf. Großmutter war entzückt:

Auf der Wiese

steht ein Blümlein.

Wenn der Wind weht

wackelt es.

Er konnte damals noch nicht lesen und nicht schreiben, aber einfach dichten.

KURIER: Wie waren die ersten 70 Jahre? Ist Ihr Schiff gut im Hafen angekommen?
Peter Henisch:
Sie waren nicht schlecht. Aber ich hoffe, dass auch die weiteren gut sind. Vom Einlaufen in irgendeinen Hafen kann nicht die Rede sein. Ich fühle mich mehr denn je in Fahrt.

Ist doch kein Fehler, wenn man einen Hafen hat. Man kann ja jederzeit wieder in See stechen.
Hafen ist ja auch schön, wenn es ein schöner Hafen ist. Sie haben ja Recht.

Der „Spiegel“ hat Ihre scheinbar leichte, melancholische Sprache mit den Kompositionen von Schubert verglichen ...
Der Vergleich ehrt mich sehr. Wenn wir ihn – jetzt bloß arbeitshypothetisch – aufgreifen, unterscheiden sich meine Texte von denen mancher Kollegen vielleicht ungefähr so wie die Schubertsonaten von den Virtuositäten Liszts oder Rachmaninows.

... und oft ist zu lesen, der Henisch werde unterschätzt.
Ich finde es besser, das Diktum nicht ewig zu wiederholen. Sonst bleibt das Etikett an mir kleben. In Österreich kann ja davon etwas weniger die Rede sein. Obwohl manche auch hier dazu neigen, mich wegen der relativ leichten Lesbarkeit meiner Bücher weniger ernst zu nehmen. Manche Kollegen, die sich vor allem mit sprachartistischen Fähigkeiten produzieren, machen auf manche Kritiker und Germanisten mehr Eindruck.

Sie haben so viele Fenster geöffnet, und man hat viel von Wien gesehen. Ihre Bücher wurden fast zu einer Österreich-Chronik. Zuletzt spielte Ihre Heimat keine Hauptrolle mehr. Sondern Israel, die Toskana ...
Wien ist der Ort meiner Basiserfahrung, die ist entscheidend. Aber durch meine Fenster hat es immer auch schon anderes zu sehen gegeben, ich war und bin nicht auf Wien fixiert.

Schielen Sie mittlerweile zunehmend auf den deutschen Buchmarkt?
Wieso schielen? Den habe ich natürlich ganz grad heraus im Blick. Die Leserschaft in Österreich ist so etwas wie meine Hausmacht, das stimmt schon. Aber es wäre doch Masochismus, nicht auch in Deutschland und überall anders möglichst viele meiner Bücher verkaufen zu wollen.

Sie haben mir einmal gesagt, man sollte mehr Ehrfurcht vor den Schriftstellern haben. Warum eigentlich?
Meiner Erinnerung nach hab’ ich nicht von Ehrfurcht gesprochen, sondern von Respekt. Und nicht einmal vom Respekt vor den Schriftstellern, sondern vom Respekt vor ihrer Arbeit. An so einem Buch schreibt so ein Autor oder so eine Autorin im Schnitt zwei, drei, ja fünf Jahre. Für viele, auch für mich, ist Schreiben nicht einfach ein Job, sondern Existenzform. Klar garantiert das nicht, dass sie gute Bücher schreiben, und gewiss heißt es nicht, das jedes ihrer Bücher der Kritik gefallen muss. Aber es ist meines Erachtens unangemessen, in zwei, drei Sätzen darüber hinweg zu plaudern.

Also mehr Respekt als vor Krankenschwestern, guten Lehrern, Tischlern?
Das habe ich nie gesagt.

Das ist keine Kritik. Erstens, weil „Mortimer & Miss Molly“ zwar schön wärmt, aber nicht zu den allerbesten Geschichten gehört, die Peter Henisch bisher erzählt hat, und das muss man ja nicht unbedingt an die große Glocke hängen, wenn er bald Geburtstag hat. Aus Respekt vor seinen Leistungen.

Zweitens erscheint das Buch erst am 26. August im Deuticke Verlag (und wird 20,50 Euro kosten).

Man darf freilich schon verraten, was sich im Roman ungefähr ereignet. Er spielt oft in San Vito, einem fiktiven Ort in der Toskana, der San Quirico in der Provinz Siena ähnelt, wo Peter Henisch immer wieder hinfährt, schreibt, lebt.

Das Thema von „Mortimner & Miss Molly“ fasst Henisch wie folgt zusammen:

„Es geht um die nachhaltige Liebe – nicht nur zwischen Mortimer, einem amerikanischen Fallschirmspringer, der dort im Jahr 1944 gelandet ist, und Miss Molly, die ihn vor den Deutschen versteckt hat; und nicht nur um die Liebe zwischen Marco, einem Turiner, und Julia, einer Wienerin, die dieser eigentlich fast unmöglichen Liebesgeschichte 40 Jahre später nachgehen. Es geht auch um die nachhaltige Liebe zu diesem Ort.“

Außenseiter

Mit der Bitte um mehr Respekt
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Ende August erscheint noch ein Henisch-Buch: „Außenseiter aus Passion“ aus dem Sonderzahl Verlag (29 Euro) versammelt seine Texte zu Politik, Literatur und Gesellschaft aus vier Jahrzehnten.

Es zeigt, wie belesen er ist; wie wach; und dass er nicht nur poetisch denkt, sondern auch politisch.

Schön war’s, als er 2009 die Politiker an den griechischen Philosophen Platon erinnerte: Früh hat Platon einen Zusammenhang zwischen Dummheit und Bosheit erkannt.

Der Beginn
Geboren 1943 in Wien; vor der Matura erste Texte in der Zeitschrift Neue Wege; sieben Jahre Studium: Psychologie, Kunstgeschichte, Philosophie, Germanistik, Geschichte; wirklich interessiert hat ihn nur das Schreiben. Mitbegründer der Zeitschrift Wespennest 1969.

Das Werk
Seit 1971 freiberuflicher Schriftsteller; Romane, Gedichte, Theaterstücke; der erste Roman „Die kleine Figur meines Vaters“ wurde von Wolfgang Glück verfilmt; „Die schwarze Madonna“ (2005) war für den Deutschen Buchpreis nominiert. Zuletzt: „Eine sehr kleine Frau“, „Der verirrte Messias“, „Großes Finale für Novak“; Goldenes Verdienstzeichen des Landes Wien.

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