Midge Ure: "Ich verdanke ,Vienna' so viel"

Midge Ure spricht im Interview über seinen Welthit und Band-Aid
Der Ultravox-Sänger tritt am 1. Dezember in der Szene Wien auf.

"Something from Everything" hat Midge Ure die Tour genannt, die ihn am 1. 12. in die Szene Wien führt. Das Programm: Ein Überblick über seine mehr als 40-jährige Karriere mit Visage-Hits wie "Fade To Grey", und Ultravox-Klassikern wie "Vienna" und "Hymn". Begleitet wird der 63-Jährige vom Akustik-Duo India Electric Company, das den von Synthesizern geprägten Songs eine neue Dimension gibt. Mit dem KURIER plauderte Ure über seine Zeit Anfang der ’80er-Jahre in London, schwere Entscheidungen und seine Liebe zu Wien.

KURIER: Sie sagen, dass "Vienna" ein Song ist, den Sie bei keiner Show auslassen können. Warum das?

Midge Ure: Zunächst einmal, weil die Leute ihn erwarten. Der Song hat für mich alles verändert. Wir hatten mit Ul-travox vorher schon zwei Singles veröffentlicht, die aber kaum Eindruck hinterlassen hatten. Dann kam "Vienna" raus und wurde ein Welthit.

Ein Song, der von seiner Struktur komplett ungeeignet für einen Hit war, weil er radikal anders war als alles, was damals im Radio lief. Aber wir waren jung und naiv, da macht man einfach, was man will, koppelt solche Sachen aus. Und weil das Lied dann doch ein, zwei Mal im Radio gespielt wurde, hat es die Leute gepackt und wurde riesig. Ich verdanke "Vienna" so viel.

Stimmt es, dass Sie noch nie in Wien gewesen waren, als Sie das Lied schrieben?

Das ist richtig. Aber ich war schon damals begeistert von klassischer Musik, wusste einiges über Wien als Zentrum wunderbarer Kultur, hatte eine Ahnung von Wiens Architektur und Geschichte. Also habe ich die Stadt als Ort genommen, an den du fährst, um aus deinem langweiligen Alltag auszubrechen. Und wenn du zurückkommst, schwörst du, dass du dieses wunderbare Gefühl, das du dort hattest, weiterleben lassen willst. Aber das gelingt natürlich nicht, und innerhalb einer Woche bist du wieder im alten Trott.

War Wien, als Sie dann das erste Mal hier waren, so wie Sie es sich erträumt hatten?

Noch viel besser! Das erste Mal waren wir nur ganz kurz da. Wir mussten uns von der Bank Geld leihen, um das Video dort drehen zu können. Wir haben alle Touristen-Hotspots abgeklappert, waren am Zentralfriedhof und beim Piano-Hersteller Bösendorfer. Und obwohl es überall sehr schnell gehen musste, weil wir nur ein kleines Budget hatten, war es wunderbar. In jeder Ecke gibt es einen glorreichen Palast, ein schönes Haus oder eine bemerkenswerte Statue. Es war so ganz anders als in Glasgow, wo ich herkomme.

Ultravox zählen – vielleicht auch aufgrund dieses Videos – zu den führenden Bands der New-Romantic-Szene ...

Ja, aber das war eine Bezeichnung, die nicht aus der Szene kam. Die Szene entstand in einem winzigen Club in London, wo sich die sogenannten "Blitz Kids" trafen. Sie hatten struppiges Haar und trugen diese Kleidung im Stil der ’40er- und ’50er-Jahre. Aber der einzige Grund dafür war, dass sie kein Geld hatten und deshalb die Kleiderschränke der Omas und Opas geplündert haben. Musikalisch hatten Bands, die man dazuzählt, nichts gemeinsam. Ultravox klangen im Vergleich zu Culture Club oder Duran Duran ja wie Genesis. Ich denke, uns wurde das Label nur aufgedrückt, weil ich vorher beim Synthie-Pop-Act Visage gewesen bin.

Sie und Bob Geldof sind nach wie vor unter den Treuhändern der Band-Aid-Stiftung. Wie lange wollen Sie das machen?

Faszinierend, oder? Es war als Projekt für sechs Monate gedacht und jetzt sind es schon 32 Jahre! Noch geht es, noch können Bob, ich und alle anderen, die wir damals an Board geholt haben, das machen. Aber ich bin jetzt 63, Bob ist etwas älter, und wir werden in den nächsten Jahren ein paar sehr schwere Entscheidungen darüber treffen müssen, wie wir mit diesem Nachlass umgehen. Denn Bob und ich haben damals geschworen, dass jeder Cent, der gespendet wird, direkt nach Afrika geht. Wir hatten nie ein Büro, nie eine Sekretärin, nie ein Telefon. Wir haben uns das immer irgendwo ausgeborgt. Also können wir Band-Aid nicht einfach an eine andere etablierte Benefiz-Organisation übergeben, weil die alle massive Kosten für ihre Verwaltung haben. Aber obwohl wir schon lange nicht mehr aktiv rausgegangen sind und um Spenden geworben haben, kommt immer noch permanent Geld rein.

Wie viel ist das pro Jahr?

Das ist unterschiedlich. Aber wir hatten ja nicht nur das Live-Aid-Konzert, sondern diesen Song "Do They Know It’s Christmas". Bob und ich haben den geschrieben und alle Tantiemen davon dem Band-Aid-Trust überschrieben. Und weil der Song immer noch überall gespielt wird, auch immer wieder neu aufgenommen wird, kommt immer noch Geld rein. Vor drei Jahren zum Beispiel hatten sie ihn für eine Weihnachtsepisode der TV-Serie "Glee" neu aufgenommen. Davon erschien auch eine CD. Und alleine das hat eine halbe Million Dollar eingebracht.

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