Die Mafia in Prag? Alles nur Erfindung, selbstverständlich
Ein Auftragskiller kann nicht schlafen und wundert sich:
Es herrscht keine Ordnung mehr, man kann sich auf nichts verlassen. Kauft ein Bürgermeister ein Fußballspiel der Landesliga, kann trotzdem die gegnerische Mannschaft gewinnen.
Hat der Schiedsrichter halt mehrfach kassiert.
Und auch das sieht recht chaotisch aus:
Der Leiter der Abteilung Organisiertes Verbrechen wird vom Leiter der Antikorruptionseinheit durch die Stadt gejagt.
Auf Befehl des Innenministers. Damit ist klar, wer der Böse ist.
Nämlich der Leiter der Antikorruptionseinheit.
"Die Mafia in Prag" ist ein Roman ist ein Roman ist ein Roman. Der tschechische Bestsellerautor Michal Viewegh, 52, muss das mehrmals betonen.
Der bekannte Aufdeckerjournalist Jaroslav Kmenta hat ihm geholfen.
Damit der Roman aus wahren Ereignissen besteht, die neu zusammengemischt wurden.
Tschechische Leser hatten es 2011, als "Mafie v Praze" erschienen ist, nicht schwer, die Realitäten zu erkennen.
Erinnert sei an dieser Stelle: 2013 trat Ministerpräsident Petr Nečas nach einer Korruptionsaffäre zurück. Gegen ihn läuft ein Strafverfahren wegen Bestechung.
Und heuer im Frühjahr erklärte ein EU-Bericht Tschechien zum Paradies für Schmiergeldzahlungen und Subventionsbetrug.
Wir haben es also mit einem Roman zutun, der viele wahre Kerne hat und in dem ein Lobbyist gegen die kroatische und russische Mafia in Prag auspacken will. Er steht deshalb unter Zeugenschutz .
Hinrichtung
Aber nur kurz, denn er will bei dieser Gelegenheit auch erzählen, dass die "Paten" bei der Regierung ein- und ausgehen. Deshalb befiehlt der Innenminister ohne Genierer, der Mann habe seinen Schutz verwirkt (gute Begründung: weil er Rotwein trinkt) – die Bewacher ziehen ab, und das kommt einer Hinrichtung gleich.
Michal Viewegh zerreißt die Geschichte. Er hat eine Collage aus Gaunereien gebastelt. Hier ein paar Seiten über die wenigen Gerechten, dort über die Masse der Ungerechten. Hier setzt sich eine Börsenmaklerin an den PC, dort schnappt der Chef einer privaten Sicherheitsfirma seine neue Angestellte ins Bett.
Alles passt zusammen, aber nur langsam.
Und alles ist nicht besonders überraschend.
Viel schlimmer aber ist ... man selbst: "Die Mafia in Prag" liest sich – anfangs! – fast normal. Genau das ist ja das Problem der Korruptionsbekämpfer: das fehlende Unrechtsbewusstsein.
Ein Krimi mit einem Verrückten, der Kondome vergiftet, regt dummerweise vielmehr auf.
Will man denn erst am eigenen Leib spüren, wie weit das gehen kann? Ein Stadtpolitiker und seine Leibwächter schlagen Bürger, die korrupten Bauplänen im Weg stehen, krankenhausreif. Die Polizei naht – und spricht bloß Ermahnungen aus, wegen "Verstoßes gegen die guten Sitten" ...
KURIER-Wertung:
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