Michail Bulgakow: Der Hund ruft nach zwei Bier

Illustration von Christian Gralingen
Den "Feind der Sowjets" sieht und liest man dank der Neuübersetzung anders.

Man bellt anders, wenn man menschliche Hoden hat.

("Das hündische Herz" ist eine schräge Erzählung, also kann man hier an dieser Stelle ruhig auch eine Spur seltsam sein ...)

Als Lumpi, der Moskauer Straßenköter, Hoden und Hypophyse eines toten Moskauer Kleinkriminellen eingepflanzt bekommen hat, wird aus dem "Wau-wau" bald ein "a-o", und es dauerte nur Tage, bis der Hundling "noch zwei Bier!" ruft bzw. auch das Wörtchen "Scheißkerl" rasch im Repertoire hat.

In seinem Pass wird unter "Geschlecht" stehen:

Rüde.

Attacke!

Der große russische Satiriker Michail Bulgakow hat Lumpi – im Original "Šarik", Bällchen, ein typischer Hundename – 1925 erfunden.

Als der Arzt und Schriftsteller 1940 starb (und Zeitungen für den unterdrückten Spötter keinen Nachruf übrig hatten), war "Das hündische Herz" noch immer nicht veröffentlicht worden.

Denn: Mit Lumpi, der zwecks Verbesserung des Menschengeschlechts zum Genossen Lumpi Lumpiko umoperiert wurde, muss zwar nicht zwangsläufig der Sowjetbürger gemeint sein.

So billig gab’s Bulgakow nicht.

Aber Zentralkomitee und die Beamten der Zensurbehörde haben sich beim Lesen ertappt gefühlt ("ätzende Attacke auf unsere gegenwärtigen Verhältnisse!") und das Buch verboten.

Hündisch bedeutet im Russischen noch weniger Gutes als im Deutschen, nämlich: gemein sein, flegeln, etwas zerstören ... Auf Lumpi trifft alles zu. So verrät der in Wien lebende Übersetzer AlexanderNitzberg.

Nitzberg empfindet das Übersetzen als Mission.

Dem 46-Jährigen ist zu verdanken, dass man das Politische beiseite lassen und sich Bulgakows witziger Sprachkunst hingeben kann – die jetzt noch dazu ihren Illustrator gefunden hat: Der Berliner Christian Gralingen mag Frankenstein, Homunculus und Androiden ...

Sowjetische Leser durften dem Hundemenschen erst 1987 begegnen.

Selbstverständlich wird Lumpi rückoperiert.

Michail Bulgakow: „Das hündische Herz“
Übersetzt von Alexander Nitzberg. Illustriert von Christian Gralingen. Edition Büchergilde. 193 Seiten. 25,70 Euro.

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